Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville

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konnten, sie hätten lediglich Kunstobjekte gesehen.
    Collingswood lehnte an der Wand und rauchte, während ihr Kumpel durch die Stadt huschte und nach Ärger suchte wie ein gewöhnliches Schwein nach Trüffeln, damit sie schließlich die Möglichkeit hatte, etwas für London zu tun. Das war immerhin besser als gar nichts, dachte sie. Wirklich?, so fragte sie sich im Stillen. Ja, wirklich, antwortete sie.
    Die Welt tat erneut einen Satz, wirbelte herum, aber nicht wie in einem Tanz, sondern so, als hätte sie einen Hieb einstecken müssen. Marge fühlte es. Seit den fehlgeschlagenen Apokalypsen war sie nicht mehr heimgegangen. Es gab andere Orte, an denen man sich aufhalten konnte, wenn man nur nicht zu penibel war. Sie wusste nicht einmal, ob sie noch ein Zuhause hatte, und sollte sie es noch haben, so nahm sie an, dass es zumindest nicht mehr sicher war. Gewiss war sie wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit der sterbenden Stadt geraten.
    You say it best, hmm hmm it best. Boyzone gehörte nicht zu den Favoriten ihres iPod-Teufels, aber er summte ihr unbekümmert seine eigene Version in die Ohren. Und dies war das Stück, das sie beschützt hatte, als sie für einen Moment das hungrige Säugerbewusstsein eines der Götter auf sich hatte ruhen fühlen.
    Sie hielt sich in einer arrivistischen Ecke von Battersea auf, wo die Bars noch spät geöffnet waren und voller Stolz ihre manipulierten B-Movie-Poster präsentierten, wo sie das Bummbumm der basslastigen Tanzmusik durch die Türen, durch den Asphalt und durch die eigenen Füße spüren konnte. In Bürofenstern brannte Licht. Die Leute machten Überstunden, als hätten sie in einem Monat immer noch eine Arbeit und die Welt würde sich weiterdrehen. Cliquen trieben sich vor den Türen von Fastfoodrestaurants und Cafés herum, in denen noch immer so viel Betrieb herrschte, als wäre es nicht bereits nach Mitternacht, und die Grundstücke, auf denen die Geschäftsräume standen, grenzten an die Gassen, die als Verbindung zu jener anderen Stadt dienten, einer Stadt, die Marge über die inkompetente, übernatürliche Wiedergabe von Ronan Keating hinweg noch hören konnte.
    Die schmaleren Straßen waren so hell erleuchtet wie die Hauptstraßen, dennoch wirkten sie tückisch. Eine Landschaft, geschaffen aus degenerativer Kunsterei, Gewalt und eschatologischem Schrecken. Marge hätte schwören können, dass sie Schüsse hörte, Meter, wirklich nur Meter entfernt von dem Ort, an dem moderne Hipster lachten und tranken.
    Sie hatte ihre Furcht hinter sich gelassen. Jetzt ließ sie sich nur noch treiben, ging einfach nur weiter. Versuchte, die Nacht hinter sich zu bringen, die sich für sie so sehr anfühlte wie eine letzte Nacht.

67
    In manchen Krankenhäusern gab man sich wohlwollend und stellte keine Fragen über sonderbare Verletzungen und Erkrankungen. Da gab es stille Flügel, in denen man sich wegen Lakandu oder der Jigsaw Disease behandeln lassen konnte und in denen niemand verärgert reagierte, sollte ein Patient durch einen Krampfanfall phasenverschoben zur Welt enden. Die am schlimmsten verwundeten Londonmantiker wurden hier eingeliefert und im Flüsterton wurde gewarnt, dass die Kugeln in ihren Leibern womöglich schlüpfen würden.
    Dane ließ sich auf dem Dach des Lasters festzurren wie eine Art neumodischer Odysseus. Er wurde hin und her geschleudert und während der Fahrt wechselweise in Licht und Dunkel gehüllt, und die ganze Zeit hielt er seinen Kirk, schwenkte ihn durch die Luft und rief Watis Namen. Er machte die Figur zu einer Sendeantenne, dennoch dauerte es lange, bis Wati sie entdeckte.
    »O, Gott, Dane«, sagte die Figur plötzlich.
    »Wati, wo warst du?« Dane hämmerte an die Luke. Billy schaute hinaus. Der Fahrtwind brachte ihn zum Blinzeln. Um ihn herum stolperte die Stadt wie etwas Verfettetes auf den Herzinfarkt zu. Die Puppe hustete, als säße etwas in ihrer nicht vorhandenen Kehle fest, als wäre ihre nicht vorhandene Lunge wund. »Hast du das von den Londonmantikern gehört?«
    »Oh, Mann«, sagte Wati. »Ich war, o Gott, sie haben uns geschlagen, Dane. Sie haben Streikbrecher eingeschleust. Goss und Subby sind wieder da.«
    »Die kämpfen gegen dich?«, fragte Billy. »Ohne das Tattoo?«
    »Die meisten von Tattoos Leuten dürften jetzt in der Scheiße sitzen«, stellte Dane fest. »Aber wenn Goss und Subby immer noch aktiv sind ...«
    »Griz beschäftigt Waffenwirte.«
    »Er ist es also«, sagte Dane. »Er hat diesen Krieg ausgelöst.