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Der Krake

Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Oder in eine Kristallkugel schaut. Es muss überzeugend wirken.« Eine mit speichelverdünnter Zahnpasta beschmutzte Zahnbürste lag im Badezimmer, außerdem eine halb aufgebrauchte Seife und Shampoo. In den Schubladen war Kleidung, alle dem angeblichen Bewohner angemessen: Alle Kleidungsstücke hatten die gleiche Größe und waren im gleichen, unerfreulichen Stil gehalten. Billy griff zum Telefon, aber es war tot.
    Dane kontrollierte die kleinen Knochen, die in Bündeln auf dem Fensterbrett lagen. Hässliche kleine Häufchen Zauberzeugs. Aus einem Kasten unter dem Bett holte er ein Gerät, erbaut aus rostigen alten Einzelteilen und allerlei Unsinn: eine Hauptplatine, ein altes Oszilloskop, mit Krokodilklemmen mit allerlei Schnickschnack verbunden. Als er es einstöpselte, ertönte ein dumpfes Dröhnen, Wellen wanderten über den Monitor, und die Luft fühlte sich trockener an.
    »Gut«, sagte Dane. »Kleine Sicherheitsmaßnahme.«
    Alarmanlagen und Störsender, die den Strom der Empfindungen und Gefühle durcheinanderbrachten - Magie. Nenn es »Kunsten«, dachte Billy bei sich. Die okkulte Maschine erzeugte kein Nichts, keine Leerstelle, die Aufmerksamkeit erregen würde wie ein fehlender Zahn, sondern projizierte einen Fetzen Präsenz für die Fernbeobachter, eine konstruierte Seele. Die Abfallprodukte einer vorgeblich anwesenden Person.
    Als Dane ins Badezimmer ging, machte Billy keine Anstalten, davonzulaufen. Er stand nicht mal vor der Tür und dachte darüber nach.
    »Warum wollen Sie das eigentlich nicht?«, fragte Billy, als Dane zurückkam. Er hob die Hände zu einer alles umfassenden Geste. »Das Ende, meine ich. Sie sagen, es geht zu Ende. Ich meine, das ist doch Ihr Krake, der das bewirkt ...«
    »Nein, das ist er nicht«, widersprach Dane. »Jedenfalls nicht so, wie er sollte.«
    Billy hätte es durchaus verstanden, wäre Dane der Frage ausgewichen, wenn er nicht mit der Sprache herausgewollt, sich verstellt und entzogen hätte. Auch die hingebungsvollsten Gläubigen mochten in letzter Minute kalte Füße kriegen. Klar, ich habe mich der Apokalypse verpflichtet, aber muss das gerade jetzt sein? Und gerade so? Das hätte Sinn ergeben, aber so lief es nicht. Billy wusste nun mit ziemlicher Sicherheit, dass Dane sich gefügt hätte, wenn er nur darauf hätte vertrauen können, dass er am Horizont dessen angelangt war, was er seit den lebhaften, inbrünstigen Tagen seiner Jugend gelesen und katechisiert hatte. Aber dies war nicht ganz die richtige Krakenapokalypse. Das war das Problem. Sie folgte irgendeinem anderen Plan. Einem anderen Schema. Etwas hatte die Kalmarenendgültigkeit gekapert. Das war das bestimmungsgemäße Ende und war es zugleich nicht.
    »Ich muss jemandem eine Nachricht zukommen lassen«, sagte Billy. Dane seufzte. »Hey.« Billy staunte über die Geschwindigkeit, mit der sich sein eigener Zorn bemerkbar machte, als er sich kampfbereit vor Dane aufpflanzte. Der große Mann wirkte ebenfalls verwundert. »Ich bin nicht Ihr Schoßhund. Sie können mich nicht einfach herumkommandieren. Mein bester Freund ist tot, und seine Freundin muss das erfahren.«
    »Das ist gut und schön«, sagte Dane und schluckte. Die Mühe, die er aufwandte, um die Ruhe zu bewahren, war beängstigend. »Aber die Sache hat einen Fehler. Sie sagen, ich kann Sie nicht herumkommandieren. Aber ich kann. Ich muss. Sie tun, was ich Ihnen sage, oder Goss oder Subby oder das Tattoo oder irgendeiner von all den anderen, die da draußen auf der Suche nach Ihnen sind, wird Sie finden, und dann werden Sie, wenn Sie sehr viel Glück haben, einfach nur sterben. Haben Sie mich verstanden?« Er stieß Billy den Finger gegen die Brust, einmal, zweimal, dreimal. »Ich habe mich gerade selbst ins Exil geschickt, Billy. Das ist kein angenehmer Tag für mich.«
    Sie starrten einander an. »Morgen fängt die Kacke erst richtig an«, sagte Dane. »Momentan wird viel weniger gekunstet, als Sie glauben. Momentan herrscht etwas, was man als Energieengpass bezeichnen könnte. Das eröffnet uns Möglichkeiten. Ich kenne nicht nur die Kirchenleute, wissen Sie.« Er öffnete seine Tasche. »Vielleicht müssen wir das nicht ganz allein bewältigen.«
    »Nur zur Sicherheit.« Billy sprach äußerst vorsichtig. »Beantworten Sie mir nur diese Frage. Ich meine ... ich weiß, Sie wollen die Polizei nicht dabeihaben, aber ... Was ist mit Collingswood allein? Sie ist nicht die Leiterin dieser Truppe - sie ist nur ein Constable -, aber sie hat

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