Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville

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ist, den Gott zurückzuholen. Das ist das Beste, was ich tun kann.«
    Billy konnte bei seinen unterwürfigen Kerkermeistern bleiben, die ihm Halluzinogene anboten und mit mönchischer Hingabe mitschrieben, was immer er in seinem anschließenden Rausch an Unsinn verzapfte.
    »Werden die Sie verfolgen?«, fragte Billy. »Wenn Sie aus der Reihe tanzen?«
    Wie bedeutsam wäre solch eine Desertion? Dane verlöre die Kirche, die ihn geschaffen hatte, ein abtrünniger Held, der sein Vertrauen in das Herz der Finsternis setzte, ein Paladin in der Hölle. Ein ganzes Leben, geprägt von Gehorsam, gefolgt von was?
    »Oh ja«, sagte Dane.
    Billy nickte und steckte die Tinte ein. »Gehen wir.«
    Die beiden Männer, die am Tor Wache hielten, sahen schockiert aus, als Dane herankam. Sie nickten kurz und wandten fromm den Blick von Billy ab, was in ihm den Wunsch weckte, so zu tun, als würde er in Zungen reden.
    »Ich bin unterwegs«, sagte Dane. »Hab einen Auftrag.«
    »Alles klar.« Der Türsteher verlagerte seine Flinte von einem Arm auf den anderen. »Lass uns nur ...« Er fummelte an der Tür herum. »Aber«, sagte er und zeigte auf Billy. »Der Teuthex sagt, wir brauchen seine Erlaubnis ...«
    Dane verdrehte die Augen. »Jetzt mach hier keinen Scheiß. Ich habe eine Mission zu erfüllen, und ich brauche ihn kurz, um etwas zu überprüfen. Ich brauche das, was da drin ist.« Er tippte auf Billys Kopf. »Ihr wisst doch, wer er ist? Was er weiß? Also vergeudet nicht meine Zeit. Ich bringe ihn sofort wieder zurück.« Die beiden Männer wechselten einen Blick, worauf Dane mit leiser Stimme wiederholte: »Vergeudet nicht meine Zeit.«
    Was denn, wollten die etwa Dane Parnells Anordnung missachten? Sie öffneten das Tor.
    »Nicht abschließen«, sagte Dane. »Er ist in einer Sekunde wieder da.« Er führte Billy die Stufen hinauf. Billy riskierte einen knappen Blick zurück. Dane stieß die Falltür auf und zerrte ihn hinaus, vorbei an dem Bollwerk aus Schutt und hinein in das Hinterzimmer der South London Church of Christ.
    Licht strömte durch die Fenster, und um sie herum legte sich gemächlich der Londoner Staub. Billy blinzelte.
    »Willkommen im Exil«, sagte Dane leise und schloss die Falltür. Nun war er ein Verräter an seinen Pflichten. »Kommen Sie.« Sie gingen an der Küche vorbei, der Toilette, allerlei Krimskrams. Im Hauptraum stand ein Kreis aus Stühlen. Billy und Dane platzten mitten in ein Treffen überwiegend älterer Damen, die sogleich zu schwatzen aufhörten.
    »Alles in Ordnung, Lieber«, fragte eine, und eine andere: »Ist alles okay, Herzchen?«
    »Beten Sie ...«, flüsterte Billy. »Beten die den Kraken an?«
    »Nein, das sind Baptisten. Wir schützen uns gegenseitig. Der Teuthex wird jede Sekunde herausfinden, dass wir fort sind. Also müssen wir schnell weit weg von hier. Bleiben Sie immer dicht hinter mir und tun Sie, was ich sage und wenn ich es sage. Wenn Sie versuchen, auf eigene Faust loszuziehen, Billy, dann wird man Sie finden, und Sie werden sterben. Das will keiner von uns. Haben Sie mich verstanden? Gehen Sie zügig, aber rennen Sie nicht.
    Sind Sie bereit?«

22
    Da war keine Freude, kein Ich-habe-es-euch-gesagt unter den Gassenpropheten, die schon so lange vorhergesagt hatten, dass das Ende nahe sei. Nun, da ihnen jeder zustimmte, der sich überhaupt die Mühe machte, darüber nachzudenken - auch wenn sie die Einsicht wieder abstreiten mochten -, fühlten sich die, die nun plötzlich und unerwartet zu Vorreitern der allgemeinen Meinung geworden waren, ein wenig verloren. Welchen Sinn hatte es, wenn man sein Leben der Aufgabe widmete, Warnungen auszusprechen, und jeder, der vielleicht bereit war zuzuhören - denn die Mehrheit blieb immer noch gänzlich unbeleckt und würde es wohl bleiben, bis die Sonne erlosch -, einfach nur nickte und zustimmte?
    Wie eine Heimsuchung befiel die Langeweile Londons manische Seher. Mahnende Schilder wurden weggeworfen, Flugblätter eingestampft, Megaphone wanderten in den Küchenschrank. Jene, die in der Lage waren, dubiose Präsenzen zu zählen, beharrten darauf, dass von dem Moment an, in dem der Architeuthis verschwunden war, etwas Neues wandelte. Etwas Getriebenes, machtvoll und nur auf sich selbst bedacht. Und kurz darauf hatte es sich neu entfaltet und war zu etwas geworden, das ein bisschen mehr ein Selbst war, das aus der Puppe der Nichtspezifität in die Empfindsamkeit aufgestiegen war, ein zwanghafter Augenblick des Jetzt, der schweren Schritts der