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Der Krake

Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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ihm gefallen«, erzählte Dane.
    Als Dane noch einmal ins Badezimmer verschwand, öffnete Billy sein kleines Fläschchen und träufelte sich mehrere Tropfen der bitteren Kalmartinte auf die Zunge. Dann legte er sich wieder hin und wartete in der Dunkelheit. Doch trotz des vielen Adrenalins, das dieser Tag freigesetzt hatte, und dem unzureichenden Abendessen, war er schnell tief eingeschlafen und allen Visionen oder Träumen schlicht davongerannt.

23
    Was Marginalia dachte, war: Was zum Teufel ist eigentlich los?
    Als Leon weiterhin keine ihrer Nachrichten beantwortete, versuchte sie es bei Billy, der sich auch nicht meldete. Es gelang ihr, einen Schlosser von ihren guten Absichten zu überzeugen und mit dessen Hilfe in Leons Wohnung zu gelangen. Alles sah aus wie immer, und es gab keinen Hinweis auf seinen Verbleib. Billys Freunde oder Angehörige kannte sie nicht, also konnte sie auch niemanden von ihnen anrufen.
    Marge war zum nächsten Polizeirevier marschiert, als Leon verschwunden und nicht wieder aufgetaucht war, als weder er noch Billy ans Telefon gingen. Sie hatte zwei vermisste Personen gemeldet. Die Beamten reagierten mitfühlend und doch kurz angebunden. Sie erzählten ihr, wie viele Leute jedes Jahr verschwanden, jede Woche, und auch, wie viele davon bald darauf von irgendeiner Sauftour oder einem gedankenlosen Wochenendausflug zurückkehrten. Sie erklärten ihr, es sei das Beste, sich nicht zu viele Sorgen zu machen, und sie warnten sie, sie möge sich nicht zu viele Hoffnungen machen.
    Zu ihrer eigenen Überraschung fing Marge im Revier an zu weinen. Die Polizisten waren verlegen und auf tollpatschige Art süß und boten ihr Tee und Taschentücher an. Als sie sich beruhigt hatte, ging sie nach Hause. Sie rechnete mit nichts und wusste nicht, was sie tun sollte. Aber als sie gerade eineinhalb Stunden zu Hause war (in dem Bericht über ihren Besuch auf dem Revier waren bestimmte Schlüsselworte aufgetaucht, die mit anderen Worten korrelierten, und die Namen, die sie genannt hatte, erregten Aufmerksamkeit, ebenso wie Leons nicht perfekt wiedergegebene, aber vielsagende letzte Mail, worauf ein Alarm in Computersystemen ausgelöst wurde, die nicht annähernd so nutzlos waren, wie es zynische, großmäulige Kommentatoren wohl behaupten würden), klopfte es an ihrer Tür. Ein Mann in mittleren Jahren in einem Anzug und eine sehr junge Blondine in einer arg lässig aussehenden Polizeiuniform. Die Frau hatte eine Leine bei sich, aber keinen Hund.
    »Hallo«, sagte der Mann mit einer dünnen Stimme. »Miss Tilley, richtig? Mein Name ist Baron. DCI Baron. Das ist meine Kollegin, PC Collingswood. Wir müssen uns mit Ihnen unterhalten. Ob wir wohl reinkommen dürfen?«
    Drinnen drehte sich Collingswood einmal langsam um die eigene Achse und betrachtete die dunklen Wände und die Poster, die für Videoveranstaltungen und Electronica-Kellerpartys warben. Baron und Collingswood blieben stehen, obwohl Marge ihnen bedeutete, sie mögen sich auf das Sofa setzen. Sie erhaschte einen Hauch eines erdigen, an Schweine erinnernden Geruchs und blinzelte.
    »Wenn ich recht verstanden habe, haben Sie ein paar Freunde verlegt, Miss Tilley«, sagte Baron. Marge überlegte, ob sie ihn korrigieren sollte, Ms., doch dann sparte sie sich die Mühe.
    »Ich habe nicht mit Ihrem Besuch gerechnet«, antwortete sie. »In Ihrer Dienststelle hat man mir gesagt, Sie könnten nichts tun.«
    »Nun ja, die wissen nicht, was wir wissen. In welcher Beziehung stehen Sie zu Billy Harrow?«
    »Billy? In gar keiner. Ich bin mit Leon zusammen.«
    »Zusammen?«
    »Das habe ich Ihnen doch gesagt.«
    »Sie haben mir gar nichts gesagt, Miss Tilley.«
    »Ich habe es den Leuten im Revier gesagt. Er ist mein Liebhaber.«
    Collingswood verdrehte die Augen und wackelte mit dem Kopf. Snobistische Zicke. Dann schnalzte sie zweimal mit der Zunge, als wollte sie ein Tier rufen, und deutete mit dem Kinn auf die anderen Räume.
    »Und Sie haben nichts mehr von Leon gehört, seit der zu Billy gegangen ist?«, fragte Baron.
    »Ich wusste nicht einmal so genau, ob er hingegangen ist. Wieso sind Sie so schnell hier? Ich meine, man hat mir gesagt, ich solle nicht damit rechnen ...« Sie klappte den Mund in einem Ausdruck plötzlichen Erschreckens weit auf. »O Gott, Sie haben ihn gefunden ...?«
    »Nein, nein«, sagte Baron. »Nichts in der Art. Das ist nur so eine verzahnte Geschichte. Collingswood und ich, wir haben normalerweise nichts mit vermissten Personen zu tun,

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