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Der Kranich (German Edition)

Der Kranich (German Edition)

Titel: Der Kranich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Reizel
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meinte
Schach gespielt
“, hakte Lukas nach.
    „Einmal. Es war eine Klientin.“
    „Wer hat gewonnen?“
    „Ich. Sie war keine besonders gute Spielerin.“
    „Was wurde aus ihr?“
    Angestrengt versuchte der Therapeut sich zu konzentrieren. Die Luft wurde dünn.
    „Ist sie tot?“
    Elvert blickte erschrocken auf. „Nein. Warum … sollte sie tot sein?“
    „Sie sahen eben so traurig aus.“
    Wieder traf ihn Lukas’ durchdringender Blick, der auf eine unerklärliche, beinahe unheimliche Weise alles zu wissen schien. „Laura“, sagte er leise. „Ihr Name ist Laura. Sie hat … ihre Therapie bei mir beendet. Es ist eine Weile her.“ Es war das erste Mal seit jener Zeit, dass er ihren Namen aussprach.
    „Sie sind schachmatt, Dr. Elvert.“
    Immer dichter ballten sich die Gewitterwolken zusammen, als Thomas Lamprecht endlich die Kraft aufbrachte, das Haus zu verlassen. Wieder und wieder klangen Lukas’ Worte in seinem Kopf, mal schienen sie einen Sinn zu ergeben, dann wieder nicht. Er hatte die Sache hunderttausend Mal nach allen Richtungen gedreht und gewendet, sie von allen Seiten betrachtet und jede erdenkliche Option erwogen, doch nur, um letztendlich zu dem Schluss zu kommen, dass es keinen anderen Ausweg gab, als das Ding bis zum Ende durchzuziehen. Er steckte schon zu tief drin, um noch auszusteigen. Und vielleicht war ja noch nicht alles verloren. Der Hübsche konnte ihm viel erzählen: Sie würden auf dem Stick nicht das finden, was sie haben wollten und so weiter – wer sagte ihm schon, dass das stimmte? Und selbst wenn es so war – was sollten sie ihm schon tun? Er hatte seine Anzahlung, und die reichte, um Barranquilla auszuzahlen, dann war er aus dem Schlimmsten raus!
    Krampfhaft versuchte er sich einzureden, dass sich alles andere dann schon finden würde, vielleicht nicht die Insel mit den Palmen, aber vielleicht eine bescheidene Existenz irgendwo in Deutschland mit Judith und dem Kind. Ein Job, eine Wohnung in einer guten Gegend mit netten Nachbarn … Kartoffelchips und Fernsehkrimis am Abend, nur weit weg von den echten Krimis, von denen, die das Leben schrieb. Und, wer weiß, vielleicht würde er sogar mit dem
Basen
aufhören, ganz aufhören, für immer – nein, nicht vielleicht. Ganz sicher!
    Völlig in seine Tagträume versunken, war Lamprecht vor der Villa seines einstigen Gönners eingetroffen, wurde nach mehrmaligem Klingeln eingelassen und in die Halle geführt. Kurz darauf begannen die Glocken der nahen Christophkirche zu läuten, als wollten sie die Feierlichkeit des Momentes unterstreichen. Sie übertönten sogar das penetrante Klappern der Stiefelabsätze, als der Hausherr die Treppe herunterschritt. Ohne den obligatorischen ironischen Kommentar abzuwarten, warf Lamprecht den Umschlag auf den Tisch.
    „Wir sind quitt.“
    Barranquillas süffisantes Grinsen verschwand, auf seinem Gesicht erschien, sofern die zahlreichen Liftings noch einen differenzierten Ausdruck zuließen, zunächst Erstaunen, dann Ärger. Er griff nach dem Umschlag und warf einen kurzen Blick hinein.
    „Das ist also dein Dank! Für alles, was ich für dich getan habe, wirfst du mir ein paar Scheine hin und meinst, das war’s? Ist das so?“
    Wie nicht anders zu erwarten, näherten sich die Gorillas und hofften auf ihren Auftritt, doch diesmal war Lamprecht vorbereitet. Unbeeindruckt blickte er seinem Gegenüber in die kalten schwarzen Augen.
    „Sehr richtig, Barranquilla. Ich schulde dir nichts mehr. Du hast weit mehr von mir bekommen, als du verdienst. Und was immer du jetzt auch vorhast – lass es! Irgendwo hier in der Stadt liegt ein verschlossener Umschlag bei einem Anwalt. Und sollte mir – jetzt oder später – oder meiner Frau oder unserem Kind irgendetwas passieren, dann wandert dieser Umschlag geradewegs zur Staatsanwaltschaft, und ich wette, dass die dann ganz gehörig die Sektkorken knallen lassen.“
    Lamprecht sagte bewusst
meine
Frau und
mein
Kind, und es fühlte sich gut an. Mindestens so gut wie der Blick aus Barranquillas sich verengenden Augen.
    „Du bluffst doch!“
    „Lass es darauf ankommen.“
    Als Thomas Lamprecht kurz darauf die breite Einfahrt hinunterschlenderte, regnete es noch immer nicht. Er hatte wieder keinen Cent in der Tasche, doch er fühlte sich reich. Leise begann er, vor sich hin zu pfeifen.
    Ich hatte gewonnen, doch ich vermochte mich nicht darüber zu freuen, denn ich wusste, dass ich in Wirklichkeit dabei war, alles zu verlieren, was mir etwas bedeutete. Die

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