Der kranke Gesunde
Sympathikuserregung aktiv, also bei geistiger und körperlicher Tätigkeit. Ständige bewusste oder unbewusste Arbeit an ungelösten Problemen gehört natürlich zu »geistiger Arbeit« und kann daher z. B. DieHerztätigkeit dauerhaft erhöhen. Das sympathische Nervensystem reagiert sehr schnell, sehr leicht und schon während der inneren Vorbereitung auf eine Aktivität – bei einem 100-Meter-Lauf also schon lange vor dem Start. Diese Reaktion nennen wir »Bereitstellungsreaktion «. Sie ermöglicht den sofortigen maximalen Einsatz unseres gesamten Körpers, wenn es an der Zeit ist.
Lediglich bei extremen Erregungszuständen kommt es zu einer gleichzeitigen Erregung von Sympathikus und Parasympathikus. So haben wir bei ausgeprägter Angst sowohl Herzklopfen als auch »Schiss« (Durchfall: Erregung des Darmes durch den Parasympathikus) oder müssen vor einer Prüfung häufig Wasser lassen (Parasympathikus). Auch beim Orgasmus sind sowohl Sympathikus als auch Parasympathikus gleichzeitig in Aktion.
Wie die verschiedenen Teile zusammenspielen
Nie arbeitet ein Teil des Nervensystems isoliert; es handelt sich immer um eine »Kooperation«. Dazu ein Beispiel: Berühren wir eine Herdplatte, haben wir die Hand schon zurückgezogen, bevor uns die ganze Situation bewusst wird. Außerdem reagieren wir emotional. Ein Kind wird vielleicht schreien und weinen, ein Erwachsener erschrecken und sich über seine Unachtsamkeit ärgern. Solche emotionalen Reaktionen entstehen im Zwischenhirnbereich, werden aber auch von unserem bewussten Denken über die Situation beeinflusst. Die Erfahrung des Schmerzes bleibt als Erinnerung an dieses Ereignis gespeichert und wird dafür sorgen, dass wir daraus »lernen« – also heiße Platten vermeiden. Bei solchen Ereignissen wird unser sympathisches Nervensystem heftig erregt. Unser Körper ist in Alarmbereitschaft, da er sich gefährdet sieht; vielleicht verspüren wir neben dem Schmerz auch starkes Herzklopfen. An der Stelle der Verbrennung bewirken Hormone und unser vegetatives Nervensystem sofort eine übermäßige Durchblutung, sodass eine Rötung entsteht. So spielen Gefühle, Denken, Verhalten, Erinnern und Lernen sowie organische Reaktionen und die dafür maßgeblichen Nervensysteme zusammen.
Info
Die Amygdala checkt alle Sinneseindrücke auf ihre »Gefährlichkeit«
Alle Informationen, die über unsere Sinnesorgane in das Gehirn eintreffen, werden über die Kerne der Amygdala (Mandelkerne, siehe Abb. auf → S. 43 ) geleitet und dort auf ihre »Gefährlichkeit gecheckt«. Sobald diese Kerne reagieren, werden Hormone ausgeschüttet, die je nach Dosis mehr oder weniger starke Angstgefühle und vegetative Reaktionen auslösen. Gleichzeitig wird die Wahrnehmungsempfindlichkeit für alle sensiblen Systeme erhöht, das heißt wir werden geräuschempfindlicher, geruchsempfindlicher und auch empfindlicher für die Botschaften, die über die Schmerz- und Fühlnerven eintreffen.
Schreckreaktion. Während wir kurz zuvor vielleicht noch einem inte ressanten Gespräch gefolgt sind, spüren wir nach einer »Schreckreaktion « plötzlich unser Herz klopfen oder ein Bauchstechen. Im Körper hat sich nichts verändert, aber wir empfinden stärker und erleben das zusätzlich als beunruhigend (Teufelskreis). Im Extremfall, z. B. einer Vergewaltigung, ist die Panik so ausgeprägt, dass das Opfer nichts mehr fühlt und sich nicht bewegen kann. Die Amygdala schützt uns vor den überwältigenden Gefühlen und wir vergessen die Details der Gewalterfahrung.
Erwartungen. Die Mandelkerne sind wiederum stark von anderen Zentren des Gehirns beeinflusst, insbesondere von den Erwartungen und Überzeugungen eines Menschen. Ist der Reiz unbekannt und wir interpretieren ihn als gefährlich, springt das »Paniksystem « stärker an, als wenn wir ihn erwarten und als harmlos einstufen. So wird z. B. der Stich bei der Blutabnahme je nach Einstellung ganz unterschiedlich schlimm erlebt. Aber auch wenn die Beschwerde schon sehr häufig aufgetreten ist und der Betroffene diese wiederholt nicht einschätzen kann und nicht weiß, wie er sie wieder loswerden kann, reagiert die Amygdala immer heftiger.
Gedanken, Bilder, Gefühle und körperliche Reaktionen sind eng verzahnt
Nun ein weniger schmerzhaftes Beispiel: Ein seit vielen Jahren beruflich erfolgreicher Mann trifft bei einem Einkaufsbummel einen Freund aus seiner Jugendzeit. Sie begrüßen sich freudig und unterhalten sich über ihre beruflichen Tätigkeiten
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