Der kranke Gesunde
»Intelligenz des Körpers« vertrauen
Im psychosomatischen Heilungsprozess tut man deshalb gut daran, von einem grundsätzlich positiven Sinn solcher Symptome in einem vielleicht nur noch nicht erkannten (oder erinnerten) größeren Zusammenhang auszugehen. Dieser »Intelligenz des Körpers « und der darin enthaltenen Selbstheilungskraft lässt sich noch mehr vertrauen, wenn man neben der Vielfalt der Wirkmechanismen auch die Vielfalt der Wirkwege kennt, die diesen Informationssubstanzen zur Verfügung stehen: Sie zirkulieren unzählbar in allen Körperflüssigkeiten, in allen Körperbahnen und in allen Richtungen.
Welche Schlüsse kann man ziehen?
Nach so viel Theorie ist es an der Zeit, die Betroffenen wieder zu Wort kommen zu lassen.
Nora: »Man hat schon gesagt, ich sei nervenkrank. Aus diesem Kapitel wird mir nicht klar, wo meine Nerven eigentlich geschädigt sind.«
Experte: »Deine Nerven funktionieren hervorragend, sogar außergewöhnlich gut. Sie registrieren ja jede Störung in deinem Körper sehr genau.
Zum Beispiel Lärmempfindlichkeit : Viele psychosomatisch kranke Patienten können keinen Lärm ertragen. Wenn unser sympathisches Nervensystem angeregt ist, kommt es zu einer Verbesserung des Gehörs, damit wir in einer Gefahrensituation auf jedes noch so leise Geräusch reagieren können. Lärmempfindlichkeit wäre also ein Zeichen einer über das vegetative Nervensystem vermittelten Steigerung der Hörfähigkeit und nicht einer Erkrankung des Gehörs. Auch Karajan, als besonders feinfühliger Mensch, empfand wohl Misstöne als schmerzhaft.«
Martin: »Was ist denn mit meinem Nervensystem los, wenn ich nervös bin?«
Experte: »Nervosität bedeutet eine starke Aktivierung des sympathischen Nervensystems, vielleicht weil Zeit für eine erholsame Ruhe fehlt. Nervös ist man aber auch vor einer Prüfung oder einem öffentlichen Vortrag. Der Körper ist in diesem Moment bereits auf eine hohe körperliche und geistige Leistung eingestellt, ohne diese jedoch schon zu erbringen. Im Laufe des Vortrags oder der Prüfung wird die Nervosität meist nicht mehr als störend empfunden, weil diese Energie hilft, die geforderte Leistung zu erbringen.«
Oliver: »Wenn unsere Nerven in Ordnung sind, wie können wir denn dann etwas für unser Wohlbefinden tun?«
Experte: »Wir können diese wichtige Frage hier nur sehr allgemein beantworten: Beschwerden können Folge eines Ungleichgewichts von sympathischer und parasympathischer Arbeit – also von Aktivität und Ruhe sein – oder Folge einer mangelnden Anpassung dieser Pole an natürliche Rhythmen – im Extrem z. B. Nachtarbeit. Entscheidend ist die Frage, ob und wie der Einzelne hierauf durch seinen Lebenswandel, durch bestimmtes Verhalten oder auch durch politische Tätigkeit Einfluss nehmen kann oder will. Die Antworten sind natürlich individuell verschieden. Ab → S. 135 geben wir Hinweise, was bei der Suche nach diesen persönlichen Wegen helfen kann. In den folgenden Kapiteln geben einzelne Organe Antworten aus ihrer Sicht. Aber auch hier muss jeder selbst herausfinden, was er damit anfangen kann oder will!«
Doris: Ihre Stirn liegt in Falten, sie schüttelt kaum merklich den Kopf. »Will ich Ärztin werden? Wozu das Wissen?!« meint sie zynisch. Zuvor waren ihr – mehr tagträumend als denkend – Bilder durch den Kopf gegangen: von einem Hahnenkampf und johlenden Zuschauern. »Was soll das?« hatte sie sich gefragt, aber ihr linkes Hirn blieb ohne Antwort!
ÜBUNG
Sind Sie eher »im Kopf« oder »im Körper«?
Wenn Sie im Moment die Aktivität Ihrer beiden Hirnhälften »messen« könnten: Welche überwiegt? Sind Sie gerade um gezieltes logisches Denken bemüht? Denken Sie nach? Sind Sie gerade »im Kopf«? Oder haben Sie Kontakt zu Ihrem Körper: Fühlen Sie ihn? Lassen Sie in sich einfach geschehen, was von selbst geschieht: Innere Bilder? Erinnerungen? Gedanken, die kommen und gehen? Oder halten Sie eine gute Balance zwischen Nach-Denken und »Geschehenlassen«? Welchen Stil bevorzugen Sie unter Stress?
Schmerz – ein ungeliebter Bote
Was ist Schmerz? Er stellt ein umfassendes Warnsystem dar, das uns schmerzlich bewusst werden lässt, dass irgendwo in unserem Körper oder im Zusammenspiel seiner Organe etwas vorübergehend oder dauerhaft nicht in Ordnung ist. Schmerz ist einerseits körperlich, da er aus dem Körper kommt und wir ihn dort spüren. Andererseits ist er geistig-seelisch, weil er als Empfindung in unser Bewusstsein tritt
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