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Der Krater

Titel: Der Krater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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erklärte Ford leichthin.
    Khons grimmige Miene wurde weicher. Ford streckte die Hand aus und drückte Khons. »Pass auf dich auf. Und … danke.«
    »Ich habe die Roten Khmer schon einmal überlebt«, entgegnete Khon fröhlich. »Das schaffe ich auch ein zweites Mal.«
    Der kleine, rundliche Mann suchte sich seinen Weg durch die umgestürzten Baumstämme zu dem freigeräumten Bereich und humpelte auf die Schlange der Minenarbeiter zu. Ein Soldat brüllte ihn an, gestikulierte mit seiner Waffe und stieß ihn in die Reihe. Khon stolperte vorwärts wie betäubt und verschwand in der schlurfenden Masse.
    Ford sah auf seine Armbanduhr: In sechs Stunden würde er in Aktion treten.

    Während der nächsten Stunden umkreiste Ford das Lager und spähte die Abläufe aus. Als der Mittag näher rückte, bewegte er sich vorsichtig ans hohe Ende des Tals, wobei er die Patrouillen umging, und beobachtete von einem kleinen Hügel aus das weiße Haus, wo Bruder Nummer Sechs Hof hielt. Der Mann hatte den ganzen Vormittag in einem Schaukelstuhl auf der Veranda verbracht, Pfeife geraucht und die Szene unten im Tal mit zufriedenem Lächeln beobachtet wie ein Großvater, der seinen Enkeln beim Spielen im Garten zusieht. Diverse Soldaten kamen und gingen, brachten Berichte, nahmen Befehle entgegen und wechselten sich als Wachen ab. Ford wurde auf einen mageren, trübsinnig wirkenden Mann mit Tränensäcken, krummem Rücken und unterwürfiger Miene aufmerksam, der anscheinend nie von Nummer Sechs’ Seite wich. Er schien eine Art Sekretär zu sein, denn er beugte sich oft vor und sprach dem Mann ins Ohr, hörte ihm zu und machte sich Notizen.
    Zur Mittagszeit kam ein Diener in Weiß aus dem Haus und reichte Drinks. Ford beobachtete die beiden Männer, Nummer Sechs und seinen Berater, die nippten und plauderten wie Gäste auf einer Gartenparty. Die Zeit verging sehr langsam. In der Mine war nun Mittagspause, und die zerlumpten Reihen der Arbeiter sammelten sich um die Kochfeuer. Jeder erhielt eine Kugel Reis in einem Bananenblatt. Sie hatten fünf Minuten Pause, dann ging es wieder an die Arbeit.
    Während Ford das Lager beobachtete, erkannte er, dass eine Gruppe von Elitesoldaten in gebügelten Uniformen die restlichen Soldaten mit zu bewachen schien. Etwa zwei Dutzend von ihnen patrouillierten am äußersten Rand des Lagers, schwer bewaffnet mit chinesischen AK -47-Nachbauten, Panzerfäusten, M16-Gewehren und leichten 60-mm-Granatwerfern, die noch aus der Zeit des Vietnamkriegs stammten. Wachen, die Wachen bewachten. Vielleicht dachte Ford, würde es so laufen wie im
Zauberer von Oz
: Man brauchte nur ein paar zu töten – oder auch nur einen –, und alle anderen würden sich unterordnen.
    Um genau ein Uhr erhob sich Ford aus seinem Versteck und ging auf einem offenen Pfad auf das Tal zu, wobei er möglichst viel Lärm machte und vor sich hin pfiff. Als er noch ein paar hundert Meter von dem weißen Haus entfernt war, zerfetzte Maschinengewehrfeuer die Blätter über seinem Kopf, und er warf sich zu Boden. Gleich darauf war er von drei Soldaten umringt, die ihn in unverständlichem Dialekt anbrüllten. Einer hielt ihm eine Waffe an den Kopf, während die beiden anderen grob seine Kleidung durchsuchten. Nachdem sie sich vergewissert hatten, dass er unbewaffnet war, zerrten sie ihn auf die Füße, fesselten ihm die Hände im Rücken und schubsten ihn vorwärts, den Pfad entlang. Ein paar Minuten später stand er auf der Veranda vor Bruder Nummer Sechs.
    Falls Nummer Sechs von seinem Erscheinen überrascht war, ließ er sich nichts anmerken. Er erhob sich aus seinem Schaukelstuhl, schlenderte näher heran und musterte Ford wie eine interessante Skulptur. Sein vogelartiger Kopf nickte unentwegt auf und ab. Ford seinerseits musterte den Mann, dessen Gefangener er nun war. Nummer Sechs war gekleidet wie ein französischer Kolonialoffizier: ein besticktes weißes Seidenhemd, Khaki-Shorts, schwarze Kniestrümpfe und Budapester. Er rauchte Latakia in einer teuren englischen Comoy-Pfeife und stieß duftende blaue Rauchwolken aus. Seine Gesichtszüge waren zart, beinahe feminin, und er hatte eine runzlige Narbe über der linken Augenbraue. Während er Ford umkreiste, schmatzte er mit den roten, mädchenhaften Lippen. Sein weißes Haar war mit Gel glatt zurückgekämmt.
    Als die Inspektion beendet war, trat Nummer Sechs zu einem Verandapfosten, klopfte die Tabakreste aus seiner Pfeife, putzte sie, lehnte sich dann an den Pfosten, stopfte sie neu

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