Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Krater

Titel: Der Krater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
Vom Netzwerk:
um. Mit dem Geld für den Schatz würde er sich nicht mehr mit Säcken wie Doyle herumschlagen müssen. Keine Einbrüche mehr, kein Risiko, wieder im Knast zu landen. Er würde diesen Pub eröffnen, an den er schon immer gedacht hatte, mit Breitbildfernseher, Holzvertäfelung, Billardtisch und englischem Ale vom Fass. In seiner Gefängniszelle hatte er Stunden damit verbracht, ihn sich genau auszumalen, die Sägespäne auf dem Boden, den Geruch nach Bier und Fritten, die Bar aus Eichenholz über die gesamte Länge, Kellnerinnen in Miniröcken, die mit den straffen Hintern wackelten.
    Ein weiteres Zittern in seinem Rücken, ein unangenehm kriechendes Gefühl, ließ den Tagtraum zerplatzen. Er würde sich der Empfindung nicht einfach ergeben. Noch nicht. Er würde nie zulassen, dass das Meth die Kontrolle übernahm.
    Worauf konnte er schießen? Die Mondsichel stand am Himmel, und er konnte eine Hummerboje in etwa fünfundzwanzig Metern Entfernung sehen, die langsam auf den sanften Wellen schaukelte. Früher war er ein ganz guter Schütze gewesen, aber er wusste, dass diese Waffe Müll war, und fünfundzwanzig Meter waren ziemlich weit für ein 44er-Geschoss.
    Seine Hände waren schmutzig, er wischte sie an seinem T-Shirt ab und spürte die knochigen Rippen darunter. Herrgott, er wurde wirklich dünn. Wieder spürte er dieses Jucken, wie Hakenwürmer, die sich unter seiner Haut krümmten.
    Er hob den Revolver mit beiden Händen, zielte auf die Boje, zog den Hahn zurück und schoss.
    Es gab einen ohrenbetäubenden Knall und einen heftigen Rückstoß. Einen knappen Meter rechts von der Boje schoss ein kleiner Wasserstrahl in die Höhe.
    »Scheiße«, sagte Worth laut. Er zielte erneut, entspannte sich, versuchte, das Zittern in seinen Händen zu unterdrücken, und feuerte. Diesmal spritzte es links von der Boje auf. Er machte eine kurze Pause, wartete, bis sich sein Ärger gelegt hatte, und zielte dann ein drittes Mal, wobei er auf seine Atmung achtete, sich konzentriert ruhig hielt und langsam abdrückte. Diesmal sprang die Hummerboje mit einem lauten Schnalzen in die Luft, Styroporfetzen flogen herum.
    Er ließ die Waffe sinken, erhitzt vor Befriedigung. Das verlangte nach einer kleinen Feier. Er fummelte in der Steuerkabine herum, rückte den Fischerkram beiseite und holte seine Pfeife und den Vorrat heraus. Mit zitternden Fingern bereitete er den nächsten Hit vor. Wie ein Ertrinkender, der nach Luft schnappt, sog er heftig an der Pfeife und füllte jede Bronchie und jedes Lungenbläschen mit heißem Meth.
    Er sackte rücklings ans Steuerrad und spürte, wie der Rausch sich von der Lunge zu seinem Reptiliengehirn und weiter durch das limbische System ins höhere Gehirn ausbreitete. Er stöhnte laut vor purem Genuss, vor absoluter Seligkeit, als die beschissene Welt weicher wurde und sich in einem glatten See gleichgültiger Zufriedenheit auflöste.

    Abbey kippte auf dem Segeltuchstuhl nach hinten, stützte die Füße aufs Seitendeck und schaute in den Himmel. Die
Marea
lag in einer tiefen Bucht auf der Südseite von Otter Island vor Anker. Die Nacht war voll glitzernder Sterne, die Milchstraße ein riesiger Bogen über ihr. Wasser plätscherte an den Rumpf, und ein Steak brutzelte auf dem Grill.
    »Was ist mit dem Meteoriten?«, fragte Jackie. »Wir haben die Insel nicht ganz abgesucht. Vielleicht haben wir den Krater verpasst.«
    »Ich gehe da nicht wieder hin.« Abbey trank einen Schluck aus der einzigen echten Flasche Wein, die sie mitgebracht hatte – ein Brunello von Il Marroneto, Jahrgang 2000. Ein hervorragender Wein. Sie wagte es nicht, Jackie zu sagen, dass sie fast hundert Dollar dafür ausgegeben hatte.
    »Gib mir auch einen Schluck.« Jackies Stimme wurde vorübergehend vom Gluckern der Flasche unterbrochen. »Der ist ziemlich trocken für meinen Geschmack. Macht es dir was aus, wenn ich mir was davon mit der Limo mische?«
    Abbey lächelte. »Nur zu.« Sie wandte sich wieder dem Nachthimmel zu. Wenn sie ihn ansah, fühlte sie sich immer seltsam bewegt, und ein Gefühl, das man nur als religiös bezeichnen konnte, überkam sie. »Das da oben ist verdammt riesig«, bemerkte sie.
    »Was?«
    Abbey deutete in den Himmel.
    »Ich kann mir das nicht mal vorstellen.«
    »Das menschliche
Gehirn
kann es sich nicht vorstellen. Die Zahlen sind zu gewaltig. Das Universum hat einen Durchmesser von hundertsechsundfünfzig Milliarden Lichtjahren – und das ist nur unser Teil davon. Der Teil, den wir sehen

Weitere Kostenlose Bücher