Der Krater
Bilge. Sie ließ den Motor an, und der Yanmar erwachte grollend zum Leben. Als sie die Elektronik einschaltete, kam Jackie herein.
»Suchen wir uns irgendwo ein hübsches Plätzchen zum Ankern und kiffen uns zu.«
»Wir fahren nach Shark Island.«
Jackie stöhnte. »Nicht in diesem Nebel, bitte. Mir tut der Kopf noch von dem Wein gestern Abend weh.«
»Frische Luft wird dir guttun.« Abbey beugte sich über die Seekarte. Shark Island war dem wilden Atlantik ausgeliefert, umgeben von Untiefen und Riffen und gefährlichen Strömungen. Es würde verdammt schwer sein, da an Land zu kommen. Sie stellte am UKW -Radio den Wetterkanal ein, und die seltsam tonlose Computerstimme begann den Wetterbericht aufzusagen.
»Bleiben wir doch einfach eine Weile hier und warten, bis sich der Nebel verzogen hat«, schlug Jackie vor.
»Das ist unsere beste Chance. Die See ist einigermaßen ruhig.«
»Aber der Nebel.«
»Wir haben Radar und einen Kartenplotter.«
Während die Nebelbank auf sie zurollte, senkte sich ein unheimliches Zwielicht übers Meer.
Jackie ließ sich auf den Sitz neben dem Steuer fallen. »Komm schon, Abbey, können wir nicht mal eine Weile Pause machen? Ich habe einen Kater.«
»Da kommt schweres Wetter. Wenn wir die ruhige See jetzt nicht nutzen, müssen wir vielleicht tagelang warten. Schau mal – wenn wir erst gelandet sind, brauchen wir höchstens fünf Minuten, um diesen einen Felsen abzusuchen.«
»Nein, bitte.«
Abbey legte ihrer Freundin die Hand auf die Schulter. »Jackie, der Meteorit wartet auf uns.«
Jackie schnaubte sarkastisch.
»Erste Offizierin, Anker aufholen.«
In dem Moment, als Jackie sich taumelnd in Bewegung setzte, verschluckte die Nebelbank das Boot, und die Welt schrumpfte auf ein paar Meter graues Zwielicht zusammen.
Jackie verstaute Anker und Kette im Kasten und rammte den Bolzen fest. »Du bist vielleicht ein Leuteschinder – da kommt man sich ja vor wie auf der
Bounty
.«
Den Kartenplotter stets im Auge, ließ Abbey das Boot sacht anfahren und richtete den Bug der
Marea
auf Shark Island aus. » EB ay, wir kommen.«
26
F ord wartete auf der Veranda, während die Minuten verstrichen. Die Soldaten standen herum, die Waffen schussbereit. Nummer Sechs saß im Schaukelstuhl und blickte über das Tal hinweg. Der Stuhl quietschte leise beim Schaukeln, vor und zurück. Vor und zurück. Selbst im Schatten der Veranda war die Hitze schier unerträglich, die Luft wie tot. Lärm hallte von der Mine herauf, wo schwankende Reihen von Arbeitern sich in einer grausamen Endlosschleife bewegten. Hin und wieder verkündete ein Schuss das umstandslose Ende eines weiteren Lebens. Kinder krochen auf dem Steinhaufen herum, und der Rauch der Kochfeuer stieg in den weißen, vor Hitze glühenden Himmel auf. Tuk stand reglos da, die Augen wie im Schlaf geschlossen. Die Soldaten traten immer wieder nervös von einem Fuß auf den anderen und ließen den Blick hastig in den Himmel oder zu der doppelten Hügelkuppe hinüberschweifen.
Das langsame Quietschen endete mit einem Knirschen. Nummer Sechs sah auf die dicke Rolex an seinem Handgelenk und hob das Fernglas, um sich den Hügel anzuschauen. »Vierzig Minute. Nichts. Ich Ihnen gebe zehn Minute umsonst.«
Ford zuckte mit den Schultern.
»Wir gehe in Haus«, sagte Nummer Sechs zu Ford und erhob sich aus dem Schaukelstuhl. »Kühler drinnen.«
Die Bewaffneten schoben Ford durchs Haus. Hinter der Küche, neben einem Schweinekoben, war ein schuppenartiger Anbau errichtet worden. Er war aus Rohholz gezimmert und leer bis auf einen Holztisch und einen Stuhl. Sobald sie den Raum betraten, begannen die Schweine draußen erwartungsvoll zu quieken und zu grunzen.
Ford bemerkte getrocknetes Blut an dem Stuhl und mehrere große Blutschmieren am Boden, den jemand halbherzig gewischt hatte. Fliegen brummten in der stinkenden Hitze. Eine Blutspur führte zu einer Tür nach hinten raus, die sich direkt in den Schweinekoben öffnete.
Die Soldaten stießen Ford auf den Stuhl und fesselten ihm die Hände im Rücken an die Lehne. Mit Klebeband schnürten sie ihm die Knöchel an die Stuhlbeine, und dann banden sie ihm die Sägekette einer Motorsäge um die Taille und den Stuhl und sicherten sie mit einem Vorhängeschloss. Die Sägezähne bohrten sich in seine Haut.
Die Soldaten arbeiteten mit einer Effizienz, die man nur durch Übung erlangte. Tuk betrat den Raum, bezog in einer Ecke Stellung und verschränkte die langen Arme vor der Brust.
Draußen begannen
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