Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Krater

Titel: Der Krater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
Vom Netzwerk:
zu und lächelte breit.
    Ford sah auf seine Armbanduhr. »Wie Sie wollen. Sie haben noch fünfzig Minuten.«
    Tuk sah ihn mit schlitzförmigen Augen an. »Das ist genug Zeit.« Er wandte sich ab und sagte etwas zu Nummer Sechs in dem Dialekt, den Ford nicht verstand. Nummer Sechs gab einem der Soldaten, einem drahtigen Jungen von höchstens achtzehn Jahren, einen ebenso unverständlichen Befehl. Der Junge legte seine Waffe weg, nahm den Munitionsgürtel ab und zog sich bis auf die weite schwarze Hose und das lockere Hemd aus. Nummer Sechs zog eine 9-mm-Pistole aus dem Gürtel, überprüfte das Magazin und gab sie dem Jungen, zusammen mit einem Walkie-Talkie. Der Junge verschwand wie der Blitz im Dschungel.
    »Er wird den Hügel in einer Viertelstunde erreichen«, erklärte Tuk. »Dann werden wir ja sehen, ob das eine Rakete war – oder ein Trick.« Er lächelte und starrte Ford an, wobei er zum ersten Mal die Augen ganz öffnete. Das verlieh seinem Gesicht einen ulkigen, überraschten Ausdruck, der sogar noch unheimlicher wirkte.
    Sie warteten. Äußerlich blieb Ford ruhig. Khon hatte offensichtlich nicht genug Zeit gehabt, um den Hügel mit der doppelten Spitze zu erreichen. Und anscheinend hatte er auch nicht genug Sprengstoff auftreiben können – das war eine eher armselige Explosion gewesen.
    Die Spannung auf der Veranda nahm zu.
    »Zehn Minuten«, sagte Tuk mit einem weiteren Lächeln, das faulige Zähne offenbarte.
    Die Soldaten traten unruhig von einem Fuß auf den anderen. Nummer Sechs schwitzte. Er las den Brief noch einmal durch, steckte ihn in den Umschlag und schob ihn sich unters Hemd.
    »Fünf Minuten«, verkündete Tuk.
    Ein weiteres
Bumm
hallte durch das Tal, ein Feuerball stieg über dem Dschungel auf, und Rauch quoll in den Himmel. Nummer Sechs fummelte das Walkie-Talkie von seinem Gürtel und brüllte hinein – offenbar versuchte er, Kontakt zu dem Soldaten aufzunehmen. Nur Rauschen. Er warf das Funkgerät beiseite und suchte mit dem Fernglas den leeren Himmel ab. »Ich sehe nicht Drohne!«, kreischte er.
    Ford konzentrierte sich ganz auf Tuk. Der alte Mann hatte den Blick von dem Hügel abgewandt und starrte Ford mit klugen braunen Augen an. Ein langer, fester Blick.
    »Wer auch immer den Brief vorlegt, Sie oder ein Stellvertreter«, wiederholte Ford langsam, »bekommt das Geld.« Bei diesen Worten hielt er den Blick auf Tuk gerichtet, und er sah den Ausdruck verschlagener Erkenntnis in den intelligenten Augen des Mannes.
    Mit einer einzigen, fließenden Bewegung zog Tuk eine 9-mm-Pistole aus dem Gürtel, zielte auf Nummer Sechs’ Kopf und schoss. Der Kopf des weißhaarigen Mannes zuckte zur Seite, sein Gesicht trug einen Ausdruck völligen Erstaunens, und sein Hirn spritzte laut klatschend auf den Boden der Veranda. Mit einem weichen Plumpsen brach er zusammen und blieb still liegen, die Augen weit aufgerissen.
    Die Soldaten sprangen vor Schreck in die Luft, als seien sie selbst angeschossen worden. Sie wirbelten herum und richteten die Waffen auf Tuk, den sie mit hervorquellenden Augen anstarrten.
    Tuk sagte gelassen auf Khmer: »Ich habe die Führung übernommen. Ihr arbeitet für mich. Habt ihr verstanden? Jeder von euch bekommt eine Belohnung von einhundert amerikanischen Dollar für seine Kooperation, zahlbar auf der Stelle.«
    Nach kurzer Verwirrung war alles vorbei. Jeder der Soldaten presste die Handflächen zusammen und verneigte sich vor Tuk.
    Der große Kambodschaner bückte sich und zog vorsichtig den Brief aus Nummer Sechs’ Jackentasche, um ihn zu retten, ehe die Blutlache auf dem Boden sich bis dorthin ausbreiten konnte. Er schob ihn in seine Tasche und wandte sich mit leichtem Lächeln Ford zu. »Was geschieht jetzt?«
    »Befehlen Sie Ihren Soldaten, das Lager zu räumen. Alle sollen weg: Wachen, Gefangene, Arbeiter. Falls die CIA feststellt, dass sie unschuldige Arbeiter getötet hat, weil sie im Lager zurückgeblieben waren, bekommen Sie Ihr Geld nicht. Das Bombardement beginnt in …« Er sah auf seine Uhr. »… dreißig Minuten.«
    Ruhig ging Tuk ins Haus und kam gleich darauf mit einem dicken Bündel Zwanzig-Dollar-Scheine wieder, in Plastik gehüllt. Er zählte jedem Soldaten fünf Scheine in die Hand, legte jeweils noch einen Zwanziger drauf und befahl ihnen, das Lager zu räumen und alle in den Dschungel zu treiben – die Amerikaner würden in einer halben Stunde das Lager bombardieren.
    Während die Männer den Pfad entlangrannten und in die Luft schossen,

Weitere Kostenlose Bücher