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Der Kreis aus Stein

Der Kreis aus Stein

Titel: Der Kreis aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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harmlos, sagte sie sich, als er ihr über die Wange streichelte. Nur eine freundschaftliche Zärtlichkeit.
    Und doch sehnte sie sich danach, von ihm berührt zu werden, wollte, daß er mit der Hand weiter nach unten fuhr, über ihren Hals. Nicht einmal sich selbst wagte sie einzugestehen, daß sie wollte, daß er sie tiefer berührte. Sie ergriff Gaborns Hand, damit er aufhörte, ihr über die Wange zu streicheln.
    Er reagierte darauf, indem er den Druck erwiderte, sie zärtlich küßte, seine Lippen auf den Fingern verharren ließ.
    Sanft, ganz sanft verschlug ihr das den Atem.
    Iome öffnete die Augen ein winziges Stück. Es war so vollkommen dunkel geworden, daß es schien, als lägen die beiden verborgen unter einer Decke. Zwischen uns und dem Haus stehen Bäume, überlegte sie. Die Frau kann uns nicht sehen, weiß nicht, wer wir sind.
    Bei dem Gedanken fing ihr Herz heftig an zu schlagen.
    Gaborn mußte doch gemerkt haben, wie ihr Herz klopfte, mußte gesehen haben, wie sehr sie sich bemühte, beim Atmen nicht zu seufzen.
    Er legte seine Hand an ihr Gesicht und begann erneut, ihre Wange zu streicheln. Auf seine Berührung hin drückte Iome ganz leicht den Rücken durch.
    Du kannst mich nicht wollen, dachte sie. Du kannst mich nicht wollen. Mein Gesicht sieht grauenvoll aus. Die Adern meiner Hand stehen vor wie blaue Würmer. »Ich wünschte, ich wäre noch immer wunderschön«, flüsterte sie atemlos.
    Gaborn lächelte. »Das bist du.«
    Er beugte sich vor und gab ihr einen Kuß, mitten auf die Lippen. Sein feuchter Kuß roch nach Pflaumen. Als seine Lippen sie berührten, wurde ihr schwindlig. Er schob seine Hand unter ihren Kopf, zog sie an sich und küßte sie leidenschaftlich.
    Iome umfaßte seine Schultern, zog sich hoch, bis sie auf seinem Schoß saß und spürte, wie er vor Verlangen leicht zitterte. In diesem Augenblick wußte sie, er glaubte es: Er glaubte, daß sie schön war, obwohl Raj Ahten ihr die Anmut geraubt hatte, er spürte, daß sie schön war, obwohl das Königreich ihres Vaters in Trümmern lag, spürte, daß sie schön war und daß er sie genauso wollte wie sie ihn.
    Gaborn hatte eine seltsame Macht über sie. Sie wünschte, er würde sie weiterküssen. Er liebkoste ihre Wange und ihr Kinn mit seiner Nase. Iome streckte ihm den Hals entgegen, damit er ihn küssen konnte. Er tat es.
    Übermütig. Ich bin übermütig, erkannte Iome. Ihr ganzes Leben lang hatte sie unter Aufsicht gestanden, damit sie rein und bar jeglichen Verlangens blieb.
    Jetzt, zum allerersten Mal, war sie allein mit einem Mann, einem Mann, den sie, wie ihr plötzlich klar wurde, über alles liebte.
    Sie hatte ihre Gefühle stets im Zaum gehalten und nie für möglich gehalten, jemals übermütig zu werden. Das ist nur sein Zauber, redete sie sich ein, der mich so verwandelt.
    Gaborns Lippen wanderten über die Vertiefung ihrer Kehle hinauf zu ihrem Ohr.
    Sie nahm seine rechte Hand, führte sie an ihre Brust. Doch er zog sie fort und wollte sie nicht anfassen.
    »Bitte!« flüsterte sie. »Bitte. Sei jetzt nicht so anständig.«
    Gaborn nahm seine Lippen von ihrem Ohr und blickte ihr in die Augen.
    Falls das, was er in diesem trüben Licht sah, ihm nicht gefiel oder ihn abstieß, so ließ er sich davon nichts anmerken.
    »Ich – äh«, sagte Gaborn schwach. »Ich fürchte, ich kann mich nicht anders als anständig benehmen.« Er versuchte ein beruhigendes Lächeln aufzusetzen. »Ich habe mich zu viele Jahre darin geübt.«
    Er rückte ein Stück von ihr ab, aber nicht weit.
    Unerklärlicherweise merkte Iome, daß ihr die Tränen kamen.
    Sicher hält er mich für unverschämt. Er hält mich bestimmt für schlecht, flüsterte die Stimme in ihrem Kopf. Jetzt sieht er mich, wie ich tatsächlich bin, ein verzagtes Tier. Sie ekelte sich vor ihrer eigenen Lust.
    »Ich… es tut mir leid!« sagte Iome. »Ich habe so etwas noch nie getan!«
    »Ich weiß«, sagte Gaborn.
    »Wirklich – noch nie!«
    »Wirklich – ich weiß.«
    »Du mußt mich für eine Närrin halten oder eine Hure!«
    Oder für häßlich.
    Gaborn lachte unbekümmert. »Das kaum. Ich… fühle mich von deinen Empfindungen für mich geschmeichelt. Und davon, daß du mich wollen könntest.«
    »Ich war noch nie mit einem Mann alleine«, gestand Iome.
    »Immer haben mich eine Hofdame und die Days begleitet.«
    »Und ich war noch nie mit einer Frau alleine«, sagte Gaborn.
    »Du und ich, wir beide standen stets unter Aufsicht. Ich habe mich oft gefragt, ob die Days

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