Der Kreis aus Stein
Bergfrieds der Übereigner in der Burg ihres Vaters, wo die Graaks landeten, wenn die Himmelsgleiter manchmal im Sommer kamen und Nachrichten aus dem Süden brachten.
In ihrem Traum zogen die Armeen Raj Ahtens durch den Dunnwald, daß die Bäume zitterten – Flammenweber, die nichts weiter trugen als ein Gewand aus lebendigem Feuer.
Die Armee bekam sie nur für kurze Augenblicke zu sehen – Nomen mit schwarzen Fellen, die durch die Schatten unter den Bäumen schlichen. Ritter in safrangelben und leuchtendroten Wappenröcken, die aufgepanzerten Pferden durch den Wald ritten. Und Raj Ahten stand stolz und wunderschön am Rand des Waldes und sah sie an.
Sie hatte fürchterliche Angst gehabt in ihrem Traum, hatte gesehen, wie ihr Volk, die Bauern Heredons, in die Burg liefen.
Die Berge im Norden, Osten und Westen waren voll von ihnen – Bauern in braunen Jacken und schweren Stiefeln, die eilig Schutz suchten. Kräftige Frauen mit kleinen Kindern im Schlepptau, Männer, die Schubkarren voller Pastinaken schoben. Knaben, die mit Stöcken Kälber vor sich hertrieben.
Eine alte Frau mit Weizengarben auf dem Rücken. Junge Liebende mit Träumen von Unsterblichkeit in den Augen.
Sie alle rannten, suchten Schutz.
Iome wußte aber, daß die Burg ihr Volk nicht schützen konnte. Die Mauern würden Raj Ahten nicht aufhalten können.
Also spitzte sie die Lippen und blies mit aller Kraft nach Westen, dann nach Osten, dann nach Süden. Ihr Atem roch nach Lavendel und färbte die Luft purpurn. Jeder, den ihr Atem berührte, jeder im ganzen Königreich, den sie anhauchte, verwandelte sich in weiße Distelwolle, die in jedem kleinen Windwirbel tanzte und trudelte, dann plötzlich von einer mächtigen Böe erfaßt wurde und hoch über die Eichen, Birken und Erlen des Dunnwalds hinweggetragen wurde.
Zuallerletzt blies Iome auf sich selbst und auf Gaborn, der neben ihr stand, damit auch sie sich in Distelwolle verwandelten und hoch über den Dunnwald flogen und hinabblickten auf das goldene, feuerrote und erdbraune Herbstlaub.
Sie sah, wie Raj Ahtens Armeen mit Gebrüll unter den Bäumen hervorbrachen, Soldaten, die Streitäxte und Speere Richtung Burg schwenkten. Niemand stellte sich ihnen entgegen.
Trostloses Elend. Vielleicht hatte Raj Ahten gehofft, er könnte etwas gewinnen, doch alles, was er erlangen würde, war trostloses Elend.
Iome Pferd trug sie durch die Nacht gegen Süden, und ihr schien es, als fliege sie, als ließe sie die Welt hinter sich zurück.
Bis kurz nach Mitternacht, als sie plötzlich eine Woge von Übelkeit überkam. Sie hob den Kopf und sah ihren Vater, der ebenfalls in seinem Sattel hin-und herschwankte. Nun wurde ihr bewußt, was vor sich ging, und Kummer erfüllte sie.
Auf Burg Sylvarresta hatte jemand – Borenson, wie sie vermutete – damit begonnen, ihre Übereigner zu ermorden.
KAPITEL 9
Ein hoher Preis für Gastfreundschaft aj Ahtens Armee traf nach Mitternacht in Hayworth ein, Rwie König Orden es vorhergesagt hatte.
Der Wirtshausbesitzer Stauer Hark lag neben seiner Frau in seiner Hütte, als er den Hufschlag am anderen Ufer bemerkte.
Es war eine merkwürdige Laune der Akustik, daß man ihn hier, auf dem Felsvorsprung über dem Fluß, so deutlich hörte.
Die felsigen Klippen des Hanges oberhalb der Straße fingen den Lärm der Hufe auf und warfen ihn als Echo übers Wasser zurück.
Stauer Hark hatte sich schon vor Jahren angewöhnt, beim Geräusch von Pferden aufzuwachen, denn wenn ein Mann des Nachts durch das Dorf ritt, bedeutete dies meist, daß Hark sich darum kümmern mußte, ein Bett für den Reisenden zu finden.
Sein Wirtshaus war mit nur zwei Zimmern klein, daher blieb seinen Gästen oft nichts weiter übrig, als zu fünft oder sechst auf einer Strohmatte zu schlafen. Wenn ein Fremder mitten in der Nacht eintraf, mußte Hark vielleicht Gäste wecken und beschwichtigen, da er den Neuankömmling in ihrem Bett mit unterbrachte.
Als er also den Hufschlag hörte, lag Stauer Hark wach und versuchte, die Zahl der Reiter zu schätzen. Eintausend, zweitausend? fragte sich sein schläfriger Verstand. Wo soll ich die alle unterbringen?
Dann fiel ihm ein, daß die Brücke nicht passierbar war und er König Orden versprochen hatte, die Männer nach Süden zur Wildschweinfurt zu schicken.
Er sprang auf, noch immer im Nachthemd, und mühte sich ab, schnell ein paar Strümpfe überzustreifen, denn nachts wurde es hier, so nahe an den Bergen, kalt. Dann eilte er aus dem Gasthaus und
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