Der Kreis aus Stein
Mechanismus des Fallgatters befand sich gut achtzig Fuß weiter hinten, in einem gesonderten Raum. Dort konnten zwei Wachen untergebracht werden.
Von diesem Raum aus erreichte man eine Waffenkammer sowie die Schatzkammer des Herzogs. Die Waffenkammer war gut mit Pfeilen und Bolzen bestückt – mehr, als Orden erwartet hatte. Eine kurze Schätzung verriet Orden, daß dort wenigstens zweihunderttausend Pfeile lagerten, die meisten frisch mit grauen Gänsefedern versehen – so als hätte sich der Herzog voller Tatkraft auf das Ende der Welt vorbereitet.
Die Rüstung des Herzogs und die seines Pferdes waren verschwunden, zweifellos hatte einer der Unbesiegbaren Raj Ahtens sie gestohlen. Ein kostbares Langschwert war dagegen zurückgelassen worden – edler, biegsamer Stahl aus Heredon, rasiermesserscharf geschliffen.
Orden betrachtete das Heft. Der Name Stroehorn stand dort eingebrannt. Ein Waffenhersteller von außergewöhnlicher Kunst, vor gut fünfzig Jahren – ein wahrer Meister.
Die Indhopaler, die bis vor fünfzig Jahren nie etwas anderes als Lederrüstungen im Kampf getragen hatten, schätzten Rüstungen oder Waffen aus dem Norden nicht. In der Wüste waren schwere Ketten-oder Plattenpanzer zu warm, um darin zu kämpfen. Daher trugen die Männer dort Harnische aus geöltem Leder, und statt mit den schweren Klingen des Nordens kämpften sie mit Krummsäbeln. Durch die Krümmung der Klingen war die Schnittkante des Schwertes optimal, so daß ein einziger Hieb den Körper eines Mannes durchtrennen konnte. Gegen einen unvorsichtigen Gegner war ein Krummsäbel eine elegante, graziöse Waffe. Traf die Schneide eines Säbels aber auf ein Kettenhemd, wurde die Klinge rasch stumpf und verbog.
Wenn man gegen einen Mann in Kettenrüstung kämpfen wollte, benötigte man eine starke Klinge, wie sie im Norden gebräuchlich war, mit einer geraden Schneide aus hartem Stahl. Damit konnte man eine Rüstung mit einem Stoß durchbohren oder ein Kettenhemd durchschlagen.
Orden schöpfte Hoffnung, als er das elegante, zurückgelassene Schwert hier in der Waffenkammer sah. Raj Ahten verfügte über eine große Zahl von Soldaten. Über beängstigend viele sicherlich, doch kämpften sie in einem ungewohnten Klima und mit minderwertigem Stahl. Wie würde es seinen Wüstenkriegern ergehen, wenn es Winter wurde?
Vor achthundert Jahren hatten die Könige Indhopals Geschenke an Ordens Vorfahren geschickt: Gewürze, Salben und Seide sowie zahme Pfauen und Tiger. Sie hatten Handelsbeziehungen aufbauen wollen. Im Gegenzug hatte Ordens Vorfahr Pferde, Gold, feine Wolle und Pelze zusammen mit Gewürzen aus dem Norden zurückgeschickt.
Die Könige von Indhopal wiesen die Geschenke voller Verachtung zurück. Pelze und Wolle waren in warmen Ländern offenbar mehr als lästig. Die Gewürze unbefriedigend. Die Pferde – die sie für minderwertig hielten – nur als Zugtiere zu gebrauchen.
Doch das Gold liebten sie, so sehr, daß sie die Karawanen schickten.
Orden mußte sich also fragen, wie die Indhopaler sich auf das Klima einstellen wollten. Vielleicht mußte erst die Hälfte von ihnen erfrieren, bevor sie den Wert von Wolle und Fellen schätzen lernten. Vielleicht verschmähten sie Pferde, die für die Berge des Nordens gezüchtet waren, ebenso wie den Stahl aus dem Norden.
Zuletzt sah sich Orden in der Schatzkammer um. Der Herzog hatte dort eine überraschend große Menge an Goldrohlingen eingelagert, aus denen Münzen geprägt wurden. König Orden untersuchte die Stempel – die Sylvarrestas Abbild auf der Vorder-und die Sieben Steine auf der Rückseite trugen.
Es schien eigenartig, daß der Herzog Münzen prägte. Auf dem Fußboden stand eine Waage. Orden nahm eine Goldmünze aus seiner Tasche und legte sie in eine der Waagschalen, dann plazierte er den Rohling des Herzogs auf die andere.
Der Rohling war leichter. Ob er zu knapp beigeschliffen worden oder das Gold mit Zink oder Eisen vermischt war, vermochte Orden nicht zu sagen.
Fest stand jedoch, daß der Herzog von Longmot bereits ein Falschmünzer war, bevor er zum Verräter wurde. »Gemeiner, lausiger Hund!« murmelte Orden.
»Mein Lord?« fragte einer seiner Kommandanten.
»Geht und schneidet den Kadaver des Herzogs von Longmot herunter. Schneidet die Eingeweide durch, an denen er vom Bergfried hängt, dann werft den Leichnam in den Graben.«
»Mein Lord?« wiederholte der Kommandant. Das schien ein einzigartig respektloser Umgang mit einem Toten.
»Macht schon!« fuhr
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