Der Kreis aus Stein
anzugreifen.«
»Sie haben also die Mauern erstürmt?« fragte Orden.
»Das wohl kaum. Nachdem Raj Ahten aufgebrochen war, sind sie ganz gemütlich in die Stadt spaziert. Sie taten, als seien sie Kerzenmacher und Weber, die Waren brachten, um sie der Herzogin vorzulegen. Aber zwischen den Kerzen hatten sie Dolche versteckt, und Kettenhemden in den Falten der Stoffe.«
»Raj Ahten hatte nur zweihundert ihm ergebene Soldaten hier, und diese jungen Burschen – nun, sie haben die Situation gemeistert.«
»Wo sind sie jetzt?«
»Tot«, berichtete Kommandant Tempest. »Allesamt tot. Sie sind in den Bergfried der Übereigner eingebrochen und haben ein halbes Dutzend Vektoren getötet. In diesem Augenblick haben wir übrigen in den Kampf eingegriffen. Leicht war es nicht.«
Orden nickte nachdenklich.
»Kommandant Tempest, ich nehme an, Ihr wißt, warum meine Männer und ich hier sind?« Das war ein heikler Punkt, Orden mußte jedoch wissen, ob Tempest die Zwingeisen erbeutet und sie aus Gut Bredsfor fortgeschafft hatte. Er hatte zwar einen Mann losgeschickt, der sie finden sollte, Orden wollte aber nicht, daß man ihn warten ließ, erst recht nicht, wenn er nichts als schlechte Neuigkeiten erwartete.
Der Kommandant schaute gleichgültig zu ihm hoch. »Ihr habt gehört, daß wir angegriffen wurden?«
»Ja«, sagte Orden, »aber deshalb bin ich nicht hier. Ganz Heredon wird angegriffen, und ich hätte meine Kraft lieber dazu verwendet, Burg Sylvarresta zu befreien. Ich bin wegen des Schatzes hier.«
»Wegen des Schatzes?« wiederholte Kommandant Tempest.
Er riß die Augen auf. Fast hätte Orden dem Mann abgenommen, daß er nichts davon wußte. Aber so ganz traute er dem Braten nicht. Tempest war zu sehr bemüht, seine Gefühle zu beherrschen und keine Reaktion zu zeigen.
»Ihr wißt, wovon ich spreche?«
»Wegen welches Schatzes?« fragte Tempest ohne eine Spur von Arg in den Augen.
Hatte die Herzogin die Existenz der Zwingeisen sogar vor ihrem eigenen Adjutanten geheimgehalten?
»Ihr habt gewußt, daß der Herzog ein Fälscher war, nicht wahr?« fragte Orden. Er benutzte seine Stimmgewalt ein klein wenig bei dieser Frage und sprach in einem Ton, der jede Schuld ans Licht bringen würde.
»Nein!« protestierte Tempest, doch seine Augen flackerten, und seine Pupillen zogen sich zusammen.
Dieser unehrliche, elende Schuft, dachte Orden. Der Mann belügt mich. Als ich mich nach dem Schatz erkundigte, dachte er, ich spräche über die Goldrohlinge in der Schatzkammer. Er hatte tatsächlich nichts von Raj Ahtens Zwingeisen gehört. Das weckte Ordens Neugier.
Die Herzogin hatte Tempest also nicht vertraut. Demnach durfte Orden ihm ebensowenig trauen.
Er bedrängte ihn mit einer weiteren Halbwahrheit. »König Sylvarresta hat eine Botschaft geschickt, in der es heißt, die Herzogin habe Raj Ahtens Streitkräfte hier besiegt und einen Schatz hier in der Burg vergraben oder versteckt. Habt Ihr entsprechende Spuren bemerkt? Hat irgendjemand den Schatz gefunden?«
Tempest schüttelte den Kopf, die Augen aufgerissen. Orden hatte das sichere Gefühl, daß Tempests Leute noch vor Ablauf einer Stunde mit dem Graben beginnen würden.
»Wem hat die Herzogin am meisten vertraut? Wen wird sie den Schatz vergraben lassen haben?«
»Den Kämmerer«, antwortete Tempest schnell.
»Wo befindet der sich jetzt?«
»Er ist fort! Er hat die Burg kurz nach dem Aufstand verlassen, bevor die Herzogin den letzten Vektor erschlug. Er – ich habe ihn seitdem nicht mehr gesehen!« Dem Klang seiner Stimme nach schien Tempest besorgt, der Kämmerer könnte sich mit dem Schatz aus dem Staub gemacht haben.
»Wie sieht er aus?«
»Ein schmächtiger Bursche, wie eine Weidenrute, blonde Haare, kein Bart.«
Genau jener Bote, den Orden erschlagen aufgefunden hatte.
Die Herzogin hatte also Sylvarresta eine Nachricht geschickt, sich dazu des Mannes bedient, der die Zwingeisen versteckt hatte, und danach niemand sonst mehr davon erzählt.
Kommandant Tempest mochte ein ausgezeichneter Soldat sein, der in der Lage war, die Burg zu verteidigen, aber offensichtlich war er nicht ehrlich. Kenntnis von dem Schatz hätte ihn sicher in Versuchung geführt, und die Herzogin hatte nicht gewollt, daß ihr König ein weiteres Mal verraten wurde.
Diese Neuigkeit erfüllte Orden mit Traurigkeit, belastete ihn.
Warum mußte ein so ausgezeichneter König wie Sylvarresta unter solcher Untreue leiden? Eine ganze Burg war bloßgestellt.
Wenn ein guter Mann wie
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