Der Kreis aus Stein
erfahren, was geschehen ist.
Offenbar hatte Raj Ahten hier Soldaten stationiert – gute Kraftsoldaten. Wie kommt es, daß die Herzogin sie besiegen konnte?«
Kommandant Tempest erklärte: »Ich… muß meinen Bericht aufs Hörensagen stützen. Ich wurde selbst gezwungen, eine Gabe abzutreten und war daher im Bergfried der Übereigner untergebracht, als es zur Revolte kam.«
»Ihr sagt, Raj Ahten habe Euch ›gezwungen‹, eine Gabe abzutreten?«
Ein seltsamer Blick zeigte sich in Kommandant Tempests Augen, ein Blick voller Abscheu, gemischt mit Verehrung. »Ihr müßt verstehen, ich habe mich bereitwillig hingegeben. Als Raj Ahten um meine Gabe bat, schienen seine Worte wie Dolche zu sein, dich mich durchbohren. Als ich in sein Gesicht sah, leuchtete es schöner als eine Rose oder die Sonne, die über einem Bergsee aufgeht. Es kam mir wie die Verkörperung aller Schönheit vor. Alles, was ich bis dahin für edel oder schön gehalten hatte, erschien mir wie eine blasse Fälschung.
Als ich die Gabe jedoch abgetreten hatte, und nachdem seine Männer meinen Körper hinunter in den Bergfried der Übereigner geschleppt hatten, war mir, als erwachte ich aus einem Traum. Mir wurde klar, was ich verloren hatte, wie man mich benutzt hatte.«
»Verstehe«, sagte König Orden und fragte sich ganz nebenbei, wie viele Gaben der Anmut und der Stimmgewalt Raj Ahten wohl besaß, daß er derartige Macht über die Menschen hatte. »Und was ist nun hier passiert? Wie ist der Herzogin dieser Schlag gelungen?«
»Ich bin nicht sicher, denn ich saß im Bergfried der Übereigner, schwach wie ein junger Hund, und konnte mich nicht wach halten. Ich habe nur Fetzen von Berichten aufgeschnappt.
Soweit ich weiß, wurde der Herzog dafür bezahlt, daß er Raj Ahten den Dunnwald passieren ließ. Er befürchtete jedoch, daß seine Frau von der Bestechung erfuhr, also hielt er sich in seinen Privatgemächern versteckt, denn er hatte Angst, man könne es ihm ansehen.
Als die Herzogin nach seinem Tod von dem Verrat erfuhr, durchsuchte sie seine Gemächer und fand über einhundert Zwingeisen.«
»Verstehe«, sagte König Orden. »Also hat sie die Zwingeisen dazu benutzt, einige Meuchelmörder auszurüsten.«
»So ist es«, antwortete Tempest. »Als Raj Ahten in die Stadt einrückte, befand sich nicht unsere gesamte Garde im Bergfried. Vier junge Soldaten waren in der Wildnis und gingen einem Bericht nach, demzufolge ein Holzfäller in Grünstadt einen Greifer gesehen hatte…«
»Habt Ihr viele Bericht von Greifern hier in dieser Gegend erhalten?« fragte Orden, denn das waren wichtige Neuigkeiten.
»Nein, letztes Frühjahr aber haben wir eine Dreiergruppe in den Dunnwald hinein verfolgt.«
Orden dachte nach. »Wie groß waren die Spuren?«
»Zwanzig bis dreißig Zoll lang.«
»Waren es vier-oder dreizehige Spuren?«
»Zwei waren dreizehig, die größte vierzehig.«
Orden befeuchtete sich die Lippen, stellte fest, daß sein Mund ganz plötzlich trocken war. »Ihr habt gewußt, was das bedeutet, nicht wahr?«
»Ja, Euer Lordschaft«, antwortete Kommandant Tempest.
»Wir hatten es mit einer Dreierpaarung zu tun.«
»Und Ihr habt sie nicht getötet? Ihr habt sie nicht gefunden?«
»Sylvarresta wußte davon. Er schickte ihnen Jäger hinterher.«
Sylvarresta hätte Orden zweifellos von den Greifern erzählt.
Vielleicht hätten wir dieses Jahr mehr als bloß Wildschweine gejagt, überlegte Orden. Trotzdem bereitete ihm diese Nachricht Sorge, denn er hatte andere besorgniserregende Berichte von Greifern gehört, die längs der Grenzen zu Mystarria durch die Berge streiften – kriegerische Banden von Neunern und Einundachtzigern. Seit den Tagen seines Großvaters hatte man nicht mehr so viele Sichtungen gemeldet. Und als er auf seinem Weg nach Norden durch Fleeds gekommen war, hatte Königin Herin die Rote von Problemen mit Greifern gesprochen, die ihre Pferde töteten.
König Orden hatte allerdings nicht gedacht, daß die Raubzüge so weit bis nach Norden führten.
»Aha«, meinte Orden. »Ihr hattet also Soldaten auf Patrouille, als Raj Ahten…«
»Richtig. Sie blieben außerhalb der Stadt, bis Raj Ahten aufbrach. Sie bekamen mit, wie der Herzog gehängt wurde, also schickten sie der Herzogin eine Nachricht und baten sie um Befehle. Daraufhin schickte sie ihren Annektor mit den Zwingeisen in die Stadt, und die Soldaten übernahmen Gaben von allen, die sie ihnen überlassen wollten, bis sie stark genug waren, um
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