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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Clan der Satsuma und der Choshu flammte wieder auf Letztere, allen voran Fürst Yamagata, schickten eine ganze Reihe von Alternativprinzessinnen ins Rennen, deren hervorstechendstes Merkmal natürlich die Zugehörigkeit zum Choshu-Clan war. Kunibert und sein einflussreicher Unterstützer, der kaiserliche Geheimsiegelbewahrer Graf Makino, wollten aber mit aller Macht, dass Prinzessin Nagako die Nase vorn behielt.
    Man dichtete dem armen Mädchen Unfruchtbarkeit an, eine schwache Gesundheit und alle möglichen grauenhaften Makel, die sie selbstredend für den Posten der zukünftigen Kaisergemahlin sofort disqualifiziert hätten, aber – und damit schloss der Artikel – noch war nichts entschieden.
    David seufzte. Hito tat ihm Leid. Wahrscheinlich würde er wieder alles in sich hineinfressen und nach außen hin völlig unbeteiligt tun. Noch mehr bedauerte er aber das arme Mädchen, das da gerade madig gemacht wurde, als hätte es einen nässenden Hautausschlag. Und doch waren die beiden Brautleute so viel besser dran als hunderttausende anderer junger Menschen in dieser Zeit. Wenn doch nur alle Probleme in der Welt so banal wären!
    Als David siebzehn wurde, umstanden ihn an der Westfront über eine Million britische Kameraden. Zum Glück wussten die nichts von dem Geburtstagskind und ließen ihn in Ruhe. Täglich kamen neue Soldaten hinzu. Die Franzosen brachten aus ihren Kolonien ganze Schiffsladungen unverbrauchter Kämpfer nach Europa. Insgesamt standen sich hier fast vier Millionen Alliierte zweieinhalb Millionen Deutschen gegenüber. Man hatte sich für das neue Jahr einiges vorgenommen.
    Wie schade, dachte David, dass die Entente Anfang Dezember das Friedensangebot der Deutschen ausgeschlagen hatte. Es war ihnen wohl wie ein fauler Kompromiss vorgekommen, aber nicht wenige Männer in den Schützengräben sahen es nur als eine verpasste Chance: War es nicht besser, ein Jahrzehnt um die Freigabe der besetzten Gebiete zu verhandeln, als weitere Städte in der Heimat ihrer Männer zu berauben? Die Politiker diskutierten ohne besonderen Eifer. Irgendjemand musste ja schließlich die Kriegskosten bezahlen, und der ließ sich nur ermitteln, wenn es einen klaren Verlierer gab.
    Mit dem jungen Jahr rückte auch ein neuer Name ins Blickfeld von Davids Aufmerksamkeit: General Robert-Georges Nivelle. Dieser war Oberbefehlshaber der französischen Truppen und hegte die Vorstellung, in den kommenden zwölf Monaten endlich die Entscheidung an der Westfront herbeiführen zu können. Sein Wahlspruch klang ganz ähnlich wie der seines englischen Kollegen Haig: »Große Gewalt mit großen Massen.« Das würde die Deutschen niederzwingen. Zur praktischen Anwendung seines prägnanten Leitsatzes hatte er sich die liebliche Champagne ausgesucht. In der Wildnis der Somme, nördlich der Kampfgebiete aus dem Vorjahr, sowie südlich davon sollten die Briten vorbereitende Entlastungsangriffe unternehmen. Diese würden deutsche Truppenkontingente binden und der Rest wäre dann nur noch eine Frage von Tagen.
    Selbstüberschätzung gehörte offenbar zu den hervorstechendsten Tugenden der Oberbefehlshaber dieser Zeit. Wie sonst hätte man erklären können, dass Nivelle seine Rechnung ganz ohne den Wirt machte?
    Der war in diesem Fall die deutsche Heeresleitung unter der Führung von Erich Ludendorff. Der Erste Generalquartiermeister wollte partout nicht auf Nivelles Pläne eingehen, die ihm ein Vögelchen gezwitschert hatte. Mitte März nahm er die Front um einige Kilometer auf die stark ausgebauten Verteidigungsanlagen der Siegfriedstellung zurück, auch Hindenburg-Linie genannt. Als die Alliierten dann an der Aisne, in der Champagne und bei Arras ihre geplanten Großangriffe durchführten, verpufften diese wie heiße Luft: Man bombardierte verlassene Stellungen, stieß energisch ins Leere vor und als man endlich die ersten Deutschen fand, war alles Pulver verschossen.
    Nivelle ersparte tausenden seiner Soldaten die Teilnahme an weiteren Irrtümern, indem er sie zu Kriegsopfern machte. Gleichwohl konnte David einige von ihnen retten. Aber selbst das wurde seit Corporal O’Brians tragischem Hinscheiden zusehends schwerer. Dem neuen Vorgesetzten war die mangelnde Effektivität des Schützen Milton unangenehm aufgestoßen. Corporal Clockwise wollte, dass David sich auf das Töten von Feinden konzentrierte, anstatt die Zeit mit dem Herumschleppen verwundeter Kameraden zu verplempern.
    Aus diesem Zwiespalt erwuchsen etliche Kriegslisten der

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