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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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oder?«
    Einen Moment lang überlegte Hastings, aber dann schüttelte er den Kopf »Es hat mich schon immer gestört, dass der Scotland Yard bei Sir Doyle immer wie ein Verein von Pickelheringen dargestellt wird.«
    »Wie bitte?«
    »Wenn sich Arthur Conan Doyle hier das nächste Mal blicken lässt, um für eine seiner Sherlock-Holmes-Possen zu recherchieren, werde ich ihm gehörig meine Meinung sagen.«
    »Ich fürchte, ich verstehe immer noch nicht.«
    »Das ist doch ganz einfach, Mr Newton, Sir: Selbst wenn diese Deformationen, von denen Sie sprechen, existieren – möglicherweise durch Einfluss von Gift oder durch eine besonders abnorme Tötungsweise –, dann beweist das doch noch lange nicht Ihre Unschuld. Sie könnten diese Masche ja aufgeschnappt haben, um damit von sich abzulenken!«
    David blickte entsetzt in das Gesicht des Beamten. Er sah sich schon am Strick baumeln, den Kopf unappetitlich zur Seite geknickt. Wenn sich die Dinge so weiterentwickelten wie in den letzten Stunden, dann hätte er bald endgültig gegen den Kreis der Dämmerung verloren. Was sollte er tun? Sich ins Gefängnis sperren lassen und darauf hoffen, dass man ihn aus Mangel an Beweisen freilassen würde? Am Ende würde ihm vermutlich nur derselbe Ausweg bleiben, den er schon jetzt wählen konnte.
    Zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch sagte er leise: »Es gibt eine sehr enge Verbindung zwischen den einstigen Bewohnern von Camden Hall und mir.«
    »Wie bitte?«
    David wiederholte, was er gesagt hatte. Diesmal etwas deutlicher.
    »Wenn Sie mir etwas zu sagen haben, dann tun Sie es. Aber bitte so, dass ich es auch begreifen kann.«
    David seufzte. Von der Themse her drang der Laut eines Signalhorns in das Büro. »Ich weiß, was ich Ihnen jetzt zu sagen habe, hört sich für Sie wie eine Räuberpistole an, aber bitte lassen Sie mich erst aussprechen, bevor Sie ablehnen.«
    Der Lieutenant nickte.
    David erzählte dem Beamten, er hätte früher zu den Bewohnern von Camden Hall gehört, zusammen mit Batuswami Bhavabhuti und dem Dienstmädchen Elsa Parnickle, die später in das Personal des verblichenen William Rifkind übergewechselt seien. Sowohl Mr Bhavabhuti als auch Miss Parnickle könnten das bestätigen. Bevor Lieutenant Hastings nun aber die Zeugen daraufhin vernehme, wolle David ihn auf einen sehr wichtigen Umstand hinweisen. Jemand trachte ihm nach dem Leben. Außerdem heiße er auch nicht wirklich David Newton.
    Es war dem Scotland-Yard-Beamten anzusehen, wie wenig ihm diese Geschichte schmeckte, aber er hatte versprochen David ausreden zu lassen.
    Mithilfe höchster Regierungsstellen, fuhr der daher fort, habe er vor einigen Jahren seine Identität geändert und lebte seitdem mit einer Legende, die bis auf den letzten Punkt erfunden sei. Nur die Papiere, die ihn als David Newton auswiesen, seien echt – Sir Rifkind habe die Angelegenheit damals geregelt. Wenn er, David, nun seine Identität offen legen müsste, um seine Unschuld zu beweisen, dann wäre das vermutlich sein Todesurteil. Deshalb bitte er den Lieutenant um eine fraglos ungewöhnliche Verfahrensweise: Er, Lieutenant Hastings, möge bitte ein Verhör in einem verschwiegenen Rahmen arrangieren, bei dem die besagten Zeugen sowie Lieutenant Barepitch und Sergeant Abrahams anwesend seien, die seinerzeit die Ermittlungen im Todesfall des Earl of Camden geführt hatten. Nur er, David Newton, dürfe aber den Geladenen Fragen stellen. Lieutenant Hastings müsse sich mit der Rolle eines kritischen Zuhörers begnügen. Wenn das, was er aus dem Munde der Geladenen höre, ihn überzeuge, dann gut. Wenn nicht, dann solle er mit seinem Untersuchungsgefangenen verfahren, wie er es für richtig halte.
    Die grauen Augen von Lieutenant Hastings wirkten sekundenlang kalt wie Gletschereis. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos. David hatte seine Hände im Schoß gefaltet, damit man nicht ihr Zittern sah. Er war zwar ein Wahrheitsfinder, aber wie wirksam war seine Gabe, wenn er die Wahrheit nur zur Hälfte herauslassen durfte? Mit bangen Blicken verfolgte er das Zaudern des Beamten. Als dieser endlich den Mund öffnete, glaubte David, sein Herz müsse stehen bleiben.
    »Sergeant Abrahams ist im Frühjahr 1919 an der ›spanischen Grippe‹ gestorben.«
    Es folgte eine weitere, unerträglich lange Pause und weil Hastings die Sprache abhanden gekommen schien, sagte David schließlich: »Und Lieutenant Barepitch? Er war sowieso der Leiter der Ermittlungen.«
    Schweigen. Noch nie

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