Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind
Ihre Gattin mit diesen Papieren – ob falsch oder echt – nicht in die Vereinigten Staaten von Amerika einreisen lassen.«
David blickte benommen in Rebekkas bleiches Gesicht, dann wieder zu dem Einwanderungsbeamten. »Ich empfinde es als eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit, dass ein unbescholtener Bürger des Vereinigten Königreiches offenbar nicht einmal seine Papiere verlieren darf.«
Auf der Stirn des Immigration Officers bildete sich eine steile Falte. »Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht folgen, Sir.«
»Na, sehen Sie denn nicht, dass diese Dokumente Ersatzausfertigungen sind? Meine bisherigen Papiere waren für mich… unbrauchbar geworden« – damit hatte David nicht einmal gelogen – »da haben mir die Behörden meines Vaters diese Zweitschriften ausgestellt.«
»Die Behörden Ihres Vaters, Sir?«
»Ja doch, des Herzogs von Atholl. Wie Sie dort sehen« – David hämmerte mit dem Finger auf die betreffende Stelle des Dokumentes in der Hand des Beamten – »wurden die Papiere auf der Isle of Man ausgestellt, und die gehört zum Herzogtum meines Vaters.«
»Sie meinen den schottischen Duke of Atholl? Er ist Ihr Vater?«
David verdrehte die Augen zur Decke, zwang sich aber zur Ruhe. »Möchten Sie gerne die Urkunden sehen?«
»Vielen Dank«, erwiderte der Beamte pikiert. »Es gibt keine Vorschrift, welche die Inaugenscheinnahme derartiger Dokumente verlangt. Zukünftig sollten Sie besser gleich auf den Ersatzcharakter Ihrer Ausweispapiere aufmerksam machen. Dadurch hätten Sie sich und auch mir eine Menge Zeit ersparen können.«
Ich kann ja nicht ahnen, dass Sie nicht lesen können. David gab nur einen undefinierbaren Laut von sich.
»Wie bitte?«
»Nichts.«
»Zu welchem Zweck wollen Sie in die Vereinigten Staaten von Amerika einreisen, Sir?«
David sah wieder in Rebekkas Gesicht, was ihm half ein Lächeln hervorzubringen. »Wir sind auf Hochzeitsreise, Officer.«
Diese Antwort war genau richtig. Wie durch Zauberkraft verwandelte sich der strenge Beamte in einen liebenswürdigen Amerikaner. Während er David die Papiere aushändigte, sagte er: »Herzlichen Glückwunsch Ihnen beiden und einen angenehmen Aufenthalt in den Vereinigten Staaten.«
»Danke, Officer.«
David atmete auf. Er wollte Rebekka schon an dem Einwanderungsbeamten vorbeischieben, als der ihn plötzlich am Arm fest hielt.
»Einen Moment noch, Sir.«
David bekam einen Riesenschreck. Hatte er sich etwa doch noch irgendwie verraten? »Was ist denn noch, Officer?«
Der Beamte nahm seine Mütze ab, schob sein Gesicht ganz dicht an dasjenige Davids und flüsterte: »Das wollte ich schon immer mal fragen: Stimmt es eigentlich, dass die Schotten unter ihrem Röckchen nichts drunter haben?«
Neue Zeiten
»Warum hast du dem Schnösel nicht gesagt, dass du bald der wichtigste Schreiber des Time-Magazins sein wirst?«
»Erstens, weil ich ja vielleicht nur der unwichtigste Schreiber sein werde, und zweitens, weil der Officer uns dann womöglich zurückgeschickt hätte.«
»Wieso? Ich denke, die Amerikaner wollen in ihrem Land nur keine Leute haben, die Vater Staat auf der Tasche liegen.«
David küsste Rebekkas Hand, die er fest in der seinen hielt. »Das ist auch schwer verständlich, Schatz. Mit einem Anstellungsvertrag in der Tasche wäre ich für die Behörden ein Kontraktarbeiter, und die sind hier nicht willkommen, weil sie der amerikanischen Arbeiterschaft angeblich Konkurrenz machen.«
»Verrückte Welt!«
»Wem sagst du das?«
»Ich fand’s richtig, dass du dem Schnösel nicht verraten hast, was die Schotten unter dem Kilt tragen.«
David musste grinsen. »Vielleicht hätte ich’s ja getan, aber ich weiß es doch selbst nicht.«
Rebekka schüttelte in gespielter Empörung den Kopf. »Und das will der Sohn des Duke of Atholl sein!«
Gleich am Pier wartete eine lange Reihe von Taxis auf Kundschaft. David winkte einen Wagen herbei. Der Fahrer war ein kleiner schwarzhaariger Wirbelwind mit – das ließ er innerhalb kürzester Zeit erkennen – italienischer Herkunft. Während er das Gepäck verstaute, half David seiner Frau beim Einsteigen.
»Wo wollen Sie hin, Sir?«, fragte der Taxifahrer mit starkem mediterranem Akzent.
»Bringen Sie uns bitte in ein schönes Hotel.«
»Sir?«
»Gibt es in New York City etwa keine schönen Hotels?«
Der Wirbelwind wirbelte mit seinen Händen vor dem eigenen Gesicht herum. »Wollen Sie sich mit mir machen eine Scherz, eh? Sie sind hier in größter
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