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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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die Hand. Der Mitherausgeber des Time-Magazin war ein drahtiger Mann in Davids Alter, vielleicht auch ein oder zwei Jahre älter. Er hatte welliges braunes Haar und einen buschigen Schnurrbart. Seine dunklen Augen funkelten wie bei einem Goldgräber, der jeden Augenblick auf eine Ader zu stoßen hoffte. Mit seinen gut fünfeinhalb Fuß war er kleiner als David, aber sein selbstbewusstes, wenn auch nicht überhebliches Auftreten ließ ihn irgendwie größer erscheinen.
    David fand diesen Mann auf Anhieb sympathisch. Er ergriff Haddens Hand und schüttelte sie. »Es ist mir eine große Freude, Sie kennen zu lernen, Mr Hadden.«
    »Und mit wem habe ich die Ehre?«
    »Das ist Mr Murray«, schaltete sich die Sekretärin ein. Ihre abstehenden Ohren schienen noch gewachsen zu sein, was es ihr zweifellos möglich machte, damit auch leise gesprochene Worte aufzufangen.
    Hadden runzelte die Stirn, lächelte aber immer noch. »Der Name sagt mir nichts.«
    David begann zu schwitzen. Wenn er vor dieser Sekretärin seine alte Identität preisgeben würde, dann wäre es bestimmt nur noch eine Frage der Zeit, bis jeder hier wusste, dass er eigentlich Newton und nicht Murray hieß. Wie sollte er sich nur aus dieser verflixten Lage herauswinden, ohne sich von Hadden eine Abfuhr einzuhandeln?
    »Ich hörte, Sie suchen einen Asienkenner, Mr Hadden.«
    Das Lächeln auf Haddens Lippen erstarb. »Schickt Sie jemand von der Konkurrenz?«
    »Nein, ich habe es gewissermaßen von einem Freund erfahren.«
    »Gewissermaßen?«
    »Von ihm weiß ich, dass Ihr Partner in China geboren wurde und jemanden schätzen würde, der vielleicht auch einige Jahre in einem asiatischen Land gelebt hat.«
    Haddens Augen verengten sich. In seinem Kopf schien sich ein Druckwerk in Gang gesetzt zu haben, das jeden Moment ein Blatt voller Informationen ausspucken konnte. »Sie meinen ein Land wie Japan.«
    »Zum Beispiel, ja.«
    »Kann es sein, dass dieser Freund ziemlich unzuverlässig ist und sich nicht bei mir meldet, obwohl er es versprochen hat?«
    David lächelte schief. »Wenn Sie erst wissen, warum er Sie nicht zurückgerufen hat, dann werden Sie ihm seine Unterlassungssünde vielleicht vergeben, Sir.«
    Das Gesicht der blonden Sekretärin wirkte sehr angespannt. Obwohl sie meinte, jedes Wort aufgefangen zu haben, ergab das Gespräch für sie doch keinen Sinn.
    Haddens Schultern strafften sich und er sagte aufgeräumt: »Möchten Sie einen Tee trinken, Mr Murray?«
    David glaubte, seine Beine würden ihm den Dienst versagen, nicht mehr aus Angst abgewiesen zu werden, sondern vor Erleichterung. »Sehr gerne, Sir.«
    Hadden sah die blonde Abhöreinrichtung an und sagte nur ein Wort: »Charlotte.«
    Diese schien wie aus einer Trance zu erwachen, nickte eilfertig und sprang aus dem Raum.
    »Hier entlang bitte«, sagte Hadden darauf und deutete mit ausgestrecktem Arm in sein Büro.
    Nachdem David den ihm angebotenen Platz an einem runden Besprechungstisch eingenommen hatte, begann er zunächst sein sonderbares Benehmen zu erklären. Er benutzte hierzu eine stark gekürzte Fassung seines Lebenslaufs: Wie Hadden wohl ganz richtig vermute, sei er in Wirklichkeit nicht Francis J. Murray, sondern ebender David Newton, der Anfang des Monats mit Hadden telefoniert habe. Er, Francis Murray, wolle mit seiner Ehefrau in Amerika ein neues Leben beginnen. Nein, er habe nichts ausgefressen. Es seien persönliche Gründe, die ihn dazu bewogen hätten, alle Brücken hinter sich abzubrechen und selbst seinem alten Namen Lebwohl zu sagen.
    »Persönliche Gründe?«, hakte Hadden nach.
    »Es geht um die Sicherheit meiner Frau. Kürzlich wurde ihr Leben bedroht und ich weiß, dass der Wahnwitzige in Wirklichkeit mich treffen will«, gestand David offen ein.
    »Haben Sie Ihre Frau jemandem ausgespannt, dass er zu solchen Maßnahmen greift?«
    David atmete tief durch. Er wollte die Beziehung zu seinem neuen Arbeitgeber nicht auf einem Lügengebäude errichten. Deshalb sprach er jetzt mit einer Kraft, deren Wirkung ihm zwar nicht fremd, aber in diesem Augenblick nicht bewusst war. Er vermochte mit Aufrichtigkeit und Wahrheit Menschen für sich zu gewinnen und nichts wünschte er sich mehr, als dies gerade jetzt zu tun.
    »Mr Hadden, ich weiß, es ist sehr viel, was ich von Ihnen erbitte, aber dringen Sie nicht weiter in mich. Ich schwöre Ihnen bei allem, was mir heilig ist, dass mein Schweigen nichts mit irgendeinem unehrenhaften Verhalten zu tun hat. Sie kennen meine Artikel und

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