Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind
herein. Rebekka stemmte sich vom Laken hoch und sah sich blinzelnd um. Das Bett neben ihr war leer. Von David fehlte jede Spur. Da bemerkte sie einen frischen Lufthauch auf ihrem Rücken. Sie drehte den Kopf und sah die offen stehende Tür zum Ankleidezimmer.
Schnell befreite sie sich aus der Umklammerung der Bettdecke, zog ihren Morgenrock von einem in der Nähe stehenden Stuhl und machte sich auf die Suche nach ihrem Gemahl.
Das Ankleidezimmer besaß eine Tür, die auf die Terrasse hinausführte. Sie stand offen. Vor dem grünen Hintergrund jahrhundertealter Bäume bewegte sich ein schlanker, sehniger Körper in einer Art geheimnisvollem Tanz. Rebekka sah, wie die Morgensonne in blankem Stahl blitzte. David hatte seine Schwertübungen wieder aufgenommen.
»Was tust du da?«, fragte sie von der Terrassentür her.
David hatte nur einen Wimpernschlag vorher, mitten in einem waagerechten Schwertstreich, innegehalten und sich ihr zugewandt. Ihre Frage kam für ihn nicht überraschend, seine Antwort für sie dafür umso mehr.
»Ich hasse Gewalt, Bekka.«
Für einen Augenblick war sie sprachlos. Langsam trat sie auf die Terrasse hinaus und umrundete ihren schwitzenden Gatten wie jemand, der eine altgriechische Kriegerstatue betrachtet. Schließlich blieb sie, die Hände in die Hüften gestemmt, genau vor der im Osten aufgehenden Sonne stehen und antwortete spitz: »Du hast eine merkwürdige Art, das zu zeigen, Liebster.«
David ließ kraftlos die Hände mit den beiden Schwertern sinken. Erst jetzt, als er sich entspannte, war die Niedergeschlagenheit in seinem Gesicht zu erkennen. Während er nach Worten rang, betrachtete er bekümmert den Menschen, den er so sehr liebte. Vor der rotgoldenen Sonnenscheibe sah Rebekka für ihn überirdisch schön aus. Das helle Licht ließ ihren Morgenrock wie einen zarten Dunst erscheinen, der ihren wohlgestalteten Körper nur unvollkommen umhüllte. Aber es war nicht nur diese äußerliche Schönheit, die sein Herz für sie schlagen ließ. Längst hatte ihr Wesen ihn verzaubert, ihre Unbekümmertheit, ihr Lachen, der Klang ihrer glockenhellen Stimme. Sie war wie ein seltenes Vögelchen für ihn, das alle für zu scheu hielten, um sich den Menschen zu nähern. Und dennoch war sie zu ihm gekommen, ganz von selbst, um für immer bei ihm zu bleiben. Obwohl…
»Was ich eigentlich sagen wollte, ist…« Er schluckte. Seine Stimme klang leise, sie bebte unter dem Ansturm seiner Gefühle. »Bekka, ich mache mir so schreckliche Sorgen um dich!«
Erst jetzt begriff sie, was ihn zur Wiederaufnahme der Schwertübungen bewogen hatte. Es ging ihm gar nicht um sein eigenes Leben. Er wollte sie beschützen und dazu war ihm so gut wie jedes Mittel recht – selbst das Schwert, welches ihm solche Gewissenspein bereitet hatte. Unvermittelt lief Rebekka auf David zu und ließ sich in seine Arme sinken. Er hatte Mühe die Klingen von ihr fern zu halten. Sie küsste ihn zärtlich und sagte: »Oh David! Kannst du mir verzeihen?«
»Verzeihen? Was denn?«
»Ich war für einen Moment ganz verwirrt. Als ich aufgewacht bin, lag ich allein im Bett. Ich habe sogar befürchtet, du könntest fortgegangen sein. Deshalb bin ich so barsch zu dir gewesen, als ich dich hier mit den Schwertern entdeckte.«
David nahm das wakizashi in die Hand, in der er schon das katana hielt, damit er Rebekka streicheln konnte. »Es ist gut, Schatz. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Unsere Ehe hat zwar etwas anders begonnen, als ich es mir erhofft habe, aber glaube mir: Ich werde alles in meiner Kraft Stehende tun, damit sich die Vorfälle von Blair Castle nicht wiederholen. Sollte sich Negromanus noch einmal in deine Nähe trauen, werde ich ihm mehr als nur eine Hand abschneiden.«
Rebekka legte ihr Ohr an seine Brust und lauschte eine Weile seinem kräftigen Herzschlag. Schließlich flüsterte sie: »Das weiß ich.«
»Dann hast du also nichts dagegen, wenn ich die Schwertübungen fortsetze?«
»Ich verabscheue die Gewalt ebenso wie du, aber ich denke, du bist ein zu guter Mensch, um sie jemals zu missbrauchen.«
»Danke, Bekka.«
Sie rieb ihren Kopf an seiner Brust, als wäre diese ein Kopfkissen. »David?«
»Ja?«
»Du hast eben gesagt, unsere Ehe habe anders begonnen, als du es dir gewünscht hast.«
»Nun ja, in mancherlei Beziehung hat sie meine Erwartungen sogar noch übertroffen.«
»Wirklich?«
»Oh ja!«
»Könntest du mir zeigen, welche Beziehung du meinst?«
»Jetzt gleich?«
Rebekka legte
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