Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind
Stadt von Welt. Was wollen Sie für eine Hotel? Groß? Klein? Teuer? Billig? In Downtown, Midtown oder Uptown? In Brooklyn oder…«
»Verzeihen Sie«, unterbrach David den Taxifahrer, bevor er völlig in Ekstase geriet. »Meine Frau und ich sind zum ersten Mal in dieser Stadt. Wir sind auf Hochzeitsreise…«
»Spozalizio?« , entriss der Wirbelwind ihm das Wort. Seine dunklen Augen sprühten vor Begeisterung und seine Hände drohten endgültig außer Kontrolle zu geraten. »Ah! Amore! Bambini!…«
»Noch keine Bambini«, stellte David richtig.
»Wir arbeiten noch daran«, präzisierte Rebekka.
»Wenn ich noch einmal auf mein Anliegen zurückkommen dürfte«, sagte wieder David. »Was mir vorschwebt, ist ein ruhiges Hotel, das vielleicht ein wenig im Grünen und trotzdem zentral liegt. Ich muss dieser Tage die 39. Straße aufsuchen. Der Zimmerpreis ist zweitrangig. Ich möchte meiner Braut ein unvergessliches Erlebnis bereiten.«
»Ich verstehe, Sir. Aber ruhig und zentral? Das ist hier unmöglich! Warten Sie.« Der Taxifahrer hob den Zeigefinger. Für einen Moment war es so still wie im Auge eines Taifuns. »Ich hab’s!«, jubilierte er unvermittelt. »The Plaza Hotel Wunderschöne Zimmer! Liegt direkt am schönen Central Park. Und ist schön teuer. Wirklich schöne Hotel für honeymoon!«
David zuckte die Achseln. »Das hört sich viel versprechend an. Also gut, bringen Sie uns ins Plaza.«
Der Wirbelwind machte eine halbe Drehung, was es ihm ermöglichte, durch die Windschutzscheibe zu sehen. »Sie werden nicht bereuen«, freute er sich über seine gute Empfehlung, während er an einigen Hebeln und Knöpfen herumhantierte. Gleich darauf gab der elektrische Anlasser ein leierndes Jammern von sich. Dann sprang der Motor an. »Sie werden bestimmt nicht bereuen. Schöne neue Hotel. Nicht mal zwanzig Jahre alt. Wunderschön! Meisterwerk von Sir Henry Hardenbergh. Magnifico!… «
Den nicht enden wollenden Lobpreisungen des Wirbelwinds zufolge musste das angekündigte Hotel eine Art Filiale des Himmels sein. Erst als das Taxi sich in den fließenden Verkehr einreihte, wurde seine verbale Brise immer öfter von heftigen Böen unterbrochen, die den anderen Automobilisten galten. Offenbar konnte niemand in New York richtig ein Fahrzeug lenken – ausgenommen der italienische Wirbelwind natürlich.
Die schnaufende Limousine kämpfte sich von der Südspitze Manhattans am Battery Park vorbei und von dort auf dem Broadway immer weiter nach Norden. Wenn einmal kein gegnerisches Fahrzeug wortgewaltig in die Flucht geschlagen werden musste, betätigte sich der Taxifahrer als Fremdenführer. Die turbulente Tour vermittelte David und Rebekka gleich von Anfang an einen sehr farbigen Eindruck von ihrer neuen Heimat.
Rebekka hatte einige Jahre in Paris gelebt. Sie glaubte zu wissen, was man unter einer Metropole verstand. Doch hier, in New York City, bekam dieser Begriff eine ganz neue Dimension. Alles war furchtbar bunt, enorm laut und riesig groß.
»Das ist berühmte Woolworth Building«, kommentierte der Wirbelwind, als sie die Hausnummer zweihundertdreiunddreißig passierten. »Größtes Gebäude von Welt!«
Das Paar war beeindruckt und blickte schon gespannt der nächsten Attraktion entgegen. Als sie die 39. Straße überquerten, machte David einen langen Hals. Hier irgendwo mussten sich die Büroräume von Hadden und Luce befinden. Der Wirbelwind peitschte seine Droschke erbarmungslos über die Kreuzung, die genaue Lokalisierung des Time-Büros musste warten. Endlich, nach einigen lebensbedrohlichen Fahrmanövern, erreichte das Taxi unversehrt die Auffahrt des Plaza. David bedankte sich beim Taxifahrer mit einem fürstlichen Trinkgeld und erntete dafür einen langen italienischen Segen, in dem mehrmals das Wort bambini vorkam.
Die Pagen zeigten sich außerordentlich zuvorkommend, obwohl das junge Paar nicht unbedingt die vornehmste Garderobe trug. David besaß jedoch eine natürliche Glaubwürdigkeit, der sich selbst der kritischste Portier nicht verschließen konnte. Als er selbstbewusst nach einer angemessenen Unterkunft für ein frisch vermähltes Paar bat, das einen Ausblick auf den Central Park sehr schätzen würde, bot man ihm anstandslos eine Suite im elften Stock an.
»Die Räume werden Sie bestimmt zufrieden stellen, Sir«, versprach der Portier und reichte einem Pagen den Schlüssel, damit er die Gäste in ihre Zimmerflucht geleite.
»Es ist traumhaft!«, lautete Rebekkas erstes Urteil, nachdem
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