Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
quietschenden Rädern kam der Wagen unmittelbar vor ihm zum Stillstand.
»Sind Sie verrückt?«, rief der schwitzende Fahrer aus dem heruntergekurbelten Fenster.
»Ja, bringen Sie mich sofort nach Ozaki!«
»Einen Dreck werde ich tun. Ihr Gaijin glaubt wohl, ihr könnt euch alles erlauben.«
»Ich kaufe Ihr Taxi.«
»Es gehört mir nicht.«
»Nennen Sie mich ›Barbar‹ oder wie immer Sie wollen, aber bitte bringen Sie mich nach Ozaki. Es geht um Leben und Tod.«
»Das sagen die Langnasen immer.«
David sprang unvermittelt auf das Trittbrett des Wagens und hielt dem Fahrer sein wakizashi unter die Nase. »Hören Sie, ich habe keine Zeit, mit Ihnen über den Preis zu verhandeln. Fahren Sie mich einfach, wohin ich möchte, anstatt sich unnötig Ihr langes, glückliches Leben zu verkürzen.«
Der beinahe kahle Japaner lächelte eingeschüchtert. »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Steigen Sie ein.«
In halsbrecherischem Tempo raste das Taxi durch Tokyos Straßen. David tat es Leid, dem Fahrer einen solchen Schrecken eingejagt zu haben, aber er hatte sich einfach nicht anders zu helfen gewusst. Während er dem Mann das Ziel genau beschrieb – der Stadt fehlten immer noch die Straßennamen –, entschuldigte er sich vielmals für sein aufbrausendes Wesen. Es handele sich wirklich um einen ernsten Notfall, das müsse der Fahrer ihm glauben.
Er glaubte es nicht. Immerhin zeigte er sich einsichtig, als David ihm beim Aussteigen ein Bündel Geldscheine in die Hand drückte.
»Betrachten Sie das als kleine Entschädigung für die Aufregung, die ich Ihnen zugemutet habe. Auf Wiedersehen. Und danke!«
Mit der stattlichen Summe in der Tasche würde der Taxifahrer vermutlich auf eine Anzeige verzichten, hoffte David. Er verschwendete keinen weiteren Gedanken an den Mann. Alles, was ihn jetzt interessierte, war Rebekka. Sie lebte noch. Wäre es anders, hätte er es gespürt, so wie damals bei seinen Eltern. Oder war er einfach zu aufgeregt, um seine innere Stimme wahrzunehmen? Machte er sich nur etwas vor?
David stürzte ins Haus der Yonais. Die beiden befanden sich zufällig im Eingangsbereich und sahen den gehetzten Mann entgeistert an.
»Wo ist sie?«, stieß er hervor.
Zwei Paar Augen wandten sich der Treppe zum oberen Stockwerk zu. David rannte hinauf, ohne sich die Schuhe auszuziehen, ein Sakrileg, das die ahnungslosen Yonais vor Entsetzen erstarren ließ.
Vor dem Tatami-Zimmer stand ein Paar Hausschuhe. David riss die Schiebetür auf.
»Rebekka!«
Seine Frau blickte von ihrem Buch auf. Sie wirkte überrascht und besorgt zugleich. »David! Gott sei Dank! Du bist zurück.«
Er lief zu ihr. Sie erhob sich von ihrem Sitzkissen. Beide fielen sich in die Arme.
»Du bist ja völlig aufgelöst«, meinte Rebekka. Sie schob ihren Mann auf Armeslänge von sich, um in seine Augen zu blicken. »Was ist denn geschehen? Hast du Negroma nus…?«
David schüttelte den Kopf. »Nicht jetzt, Bekka. Lass uns zuerst das Haus verlassen.«
»Aber…«
»Später, Liebes. Komm!«
David zog seine Frau eilig hinter sich her. Sie hatte nicht einmal Gelegenheit in ihre Hausschuhe zu schlüpfen. Im Entree warteten die verstörten Gastgeber und hefteten ihre Blicke auf seine Füße.
»Schnell, rufen Sie Ihr Personal zusammen. Wir müssen alle das Haus verlassen«, drängte David, noch während er die Treppe hinunterstürzte.
Takeo und Yachiyoko sahen sich verwundert an, machten sonst aber keine Anstalten, der Aufforderung ihres Gastes nachzukommen. In aller Kürze setzte David den Hausherrn über den Ernst der Lage in Kenntnis: Er habe berechtigten Grund zu der Annahme, dass jeden Moment ein skrupelloser Mörder hier aufkreuzen und sie alle umbringen könne. Daher halte er es für ratsam, das Anwesen umgehend zu evakuieren.
Diese ebenso kurze wie eindrucksvolle Mitteilung brachte die Gastgeber endlich zum Handeln. Eilig rief Takeo seinen Kammerdiener und Yachiyoko ihre Köchin und gemeinsam verließ man das Haus, um sich zu sechst in die Limousine der Herrschaften zu zwängen und in Richtung Kita-Shinagawa aufzubrechen. Hier, bei nahen Verwandten der Yonais, sei man fürs Erste in Sicherheit.
David rief gleich nach der Ankunft den Vorgesetzten des jungen Grafen an und bat um Hilfe. Kido zeigte sich überrascht, den Vertrauten des Kaisers wieder in Japan zu wissen. Nach Davids spektakulärem Auftritt während der Krönungszeremonie waren die Murrays Hals über Kopf in die Vereinigten Staaten abgereist.
»Ich werde
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