Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
begann es im Arm zu kribbeln. David massierte weiter.
Rebekka legte beruhigend ihre Hand auf seine Brust. »Deine Nerven liegen blank, Liebster. Du bildest dir das alles bestimmt nur ein. Wenn wir erst…«
»Still!«
Etwas in Davids Stimme alarmierte sie. Erschrocken zog sie die Hand zurück. Ihre Frage war nur mehr ein Hauch: »Was ist?«
»Ich habe so ein ungutes Gefühl.«
»Aber ich kann gar nichts hören.«
»Das ist es ja, was mich beunruhigt. Ich höre auch nichts.«
»Ich habe Angst, David.«
»Bleib ganz dicht bei mir. So bist du am sichersten.«
David erhob sich schnell von der Matratze und lief zu der Reisetasche, in der er seine beiden Schwerter aufbewahrte. Als er wieder bei Rebekka war, flüsterte er: »Halt dich an meinem Hosenbund fest. Nur wenn ich kämpfen muss, gibst du mir Raum, ansonsten lässt du keinesfalls los, verstanden?«
Sie nickte hinter ihm.
»Rebekka?«
»Ich habe verstanden.«
»Dann komm.«
Wie sie waren – er nur mit einer kurzen Pyjamahose, sie mit einem Nachthemd bekleidet –, schlichen sie sich auf den Flur hinaus. Das alles erinnerte David fatal an die Nacht in Blair Castle. Damals hatte Negromanus zwei Unschuldige getötet.
»Wir müssen zum Schlafzimmer von Takeo und Yachiyoko«, raunte er.
»Du denkst an die armen Smails?«
Er antwortete nicht.
Barfüßig schlichen die beiden durch das Haus. Der Mond schüttete sein Licht in die umliegenden Räume und ließ die verschiebbaren Reispapierwände matt erglühen. Die Gastgeber schliefen auf demselben Stockwerk, ganz am Ende des Flurs. Der Durchgang zu ihrem Zimmer stand offen. Das konnte nichts Gutes bedeuten. David überprüfte noch einmal den Sitz seiner Scheide. Notfalls konnte er das Kurzschwert in einer einzigen Bewegung herausschnellen lassen. Die Klinge des Langschwerts hielt er aufrecht vor sich. Als er über die Schwelle des Schlafzimmers trat, stellten sich seine Nackenhaare auf. Was er sah, war noch grauenvoller als befürchtet.
Am Boden krümmten sich Takeo und Yachiyoko Yonai auf ihren Schlafmatten. Vor ihnen stand ein dunkler Schemen mit hoch erhobenen Armen. Im Mondlicht konnte David deutlich den Stumpf am linken Arm erkennen. Die Finger der rechten Hand waren aneinander gepresst und wie ein Bogen gespannt. Auf Gesichtshöhe der Gestalt glommen zwei phosphoreszierende Punkte.
»Halt ein, Negromanus!«, schrie David aus vollem Hals. »Lass diese Menschen in Frieden. Dein Feind steht hier.«
Mit diesen Worten wollte er sich auf den Schemen stürzen, um das seiner Frau am Nachmittag gegebene Versprechen einzulösen. Doch etwas hinderte ihn daran. Er hörte eine Naht platzen.
»Lass meinen Hosenbund los, Bekka, schnell!«
Er konnte nicht mit dem Schemen kämpfen, wenn er keine Bewegungsfreiheit hatte. Schon wandte sich Negromanus ihm zu. Wieder hob er die Arme, die er bei Davids Aufschrei hatte sinken lassen. In seinen Augen loderte kaltes grünes Feuer, das Davids Willen zu verzehren drohte. Oder galt Negromanus’ Aufmerksamkeit nun doch Rebekka?
Mit aller Kraft riss sich David von seiner Frau los und stolperte vorwärts. »Komm, gib mir deine andere Hand«, forderte er den Schemen auf, der nun respektvoll zurückwich, »und dann kümmern wir uns um deinen Kopf«
Negromanus stieß ein helles vibrierendes Lachen aus. »Du fühlst dich sehr stark, David Camden. Aber glaube mir, du wirst noch meine wahre Macht zu spüren bekommen.«
David hob das katana zum tödlichen Schlag. »Warum nicht gleich jetzt?«, zischte er beim Vorwärtsspringen.
Der geschmiedete Stahl glitt durch das Mondlicht – und zerschnitt nichts als Luft. Negromanus hatte sich rückwärts durch das Gitterfenster fallen lassen. Zusammen mit Holz- und Glassplittern stürzte er in die Tiefe. Vorsichtig beugte sich David in den Garten hinaus. Gerade noch rechtzeitig, um einen Blick auf den fliehenden Schatten zu erhaschen. Dann kehrte Stille ein.
Davids Enttäuschung war schier grenzenlos. Nach Toyamas Ausschaltung hätte er dem Kreis der Dämmerung hier eine weitere, noch größere Niederlage bereiten können. Negromanus war immerhin ein Teil des Schattenlords. Doch anstatt Belial entscheidend zu schwächen, hatte er ihn auf seine und Rebekkas Fährte gelockt. Bei diesem Gedanken fielen ihm wieder die Yonais ein. Er hörte hinter sich ein Röcheln und leises Wimmern.
Rasch drehte sich David vom Fenster weg und wandte sich seinen Freunden zu. Takeo saß auf seinem futon und rang nach Luft. Yachiyoko lag auf dem Rücken, hatte
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