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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Anwesen des Grafen gründlich untersucht und auch die nähere Umgebung durchkämmt. Von einem lebendigen Schatten gab es weit und breit keine Spur.
    »Entschuldigen Sie meinen etwas hysterischen Auftritt von vorhin«, bat David den Hausherrn. Rebekka drückte seine Hand, sagte jedoch nichts. Yachiyoko blickte verlegen zu Boden.
    Takeo Yonai dagegen lächelte befreit. Er schien richtig glücklich zu sein, dass er seinem Gast einen Dienst hatte erweisen können – und wenn es auch nur ein unbedeutender gewesen war. »Es ist nicht der Rede wert, Murray-san. Sie haben immerhin Ihren besten Freund verloren. Außerdem war, wie der heutige Vorfall in der Knochenhalle zeigt, Ihre Sorge ja auch nicht ganz unberechtigt. Eine Sorge, wie ich dankbar anmerken muss, die ja auch meine Hausgemeinschaft mit einschloss. So gesehen stehe ich eigentlich in Ihrer Schuld, Murray-san.«
    David schüttelte lächelnd den Kopf. »Obwohl ich in diesem Land geboren bin, sind mir die Kinder Nippons in mancher Hinsicht bis heute ein Rätsel geblieben. Wie auch immer, als der Ältere von uns beiden möchte ich Sie und Yachiyoko bitten, Rebekka und mich mit Vornamen anzureden.«
    Takeo Yonai erschrak. »Wieso, Murray-san? Habe ich Sie etwa beleidigt?«
    David machte eine beschwichtigende Geste. Selbst im engsten Familienkreis sprachen sich Japaner nicht mit Vornamen an, sondern verwendeten Titel wie »Großmutter«, »Vater« oder »kleine Schwester«.
    »Verstehen Sie mich bitte nicht falsch«, sagte er rasch. »Für mich wäre es eine große Ehre, auf diese Weise meine Verbundenheit zu Ihnen und Ihrer Frau ausdrücken zu dürfen.«
    Der Hausherr schien noch mit sich zu kämpfen. Vielleicht hatte er seinen Gast ja doch irgendwie brüskiert. Aber der lachte nur und fügte kopfschüttelnd hinzu: »Anscheinend sind wir Engländer in dieser Hinsicht manchmal etwas zu freizügig. Verzeihen Sie mir bitte, Yonai-san. Ich will es Ihnen überlassen, wie Sie mich und Rebekka nennen möchten. Was im Übrigen Ihren Chef betrifft, brauchen Sie sich nicht zu sorgen – er wird von unserer etwaigen Vertraulichkeit nichts erfahren.«
    Ein verschwörerisches Lächeln stahl sich auf Takeos Gesicht. Davids letzte Äußerung schien ihm zu gefallen. Er legte seinen Arm um Yachiyokos Schulter und nickte entschlossen. »Also gut, David-kun. Unser Respekt euch gegenüber wird nicht darunter leiden.«
    »Dessen bin ich mir sicher, Takeo-kun.«
    Zu viert nahm man ein spätes Nachtmahl ein, das in beinahe schon lockerer Atmosphäre stattfand. Wehmütig erinnerte sich David an einen Abend Anfang des Jahres 1913. Er war mit seinen Eltern bei den Itos zu Gast gewesen. Damals hatte er sein katana geschenkt bekommen.
    David erzählte, dass er und Rebekka Japan schon bald verlassen würden. Ein kranker Freund in New York erwarte ihren Besuch. Das kleine Paar reagierte auf diese Ankündigung mit echtem Bedauern. Einen Vertrauten des Tennos zu beherbergen sei für sie eine außerordentliche Ehre. Ihr Haus stünde den Murrays jederzeit offen. Gegen zwei Uhr morgens ging man dann endlich zu Bett.
    Die Luft im Schlafzimmer war unangenehm stickig. Obgleich zutiefst erschöpft, fand David keinen Schlaf. Rebekka schien dieses Problem überhaupt nicht zu kennen. Ihr Kopf ruhte auf seinem Oberarm und sie atmete tief und gleichmäßig. David spürte die Finger taub werden, veränderte aber seine Haltung nicht, er blieb ruhig auf der Schlafmatte liegen und starrte in die Dunkelheit.
    Die Ereignisse des vergangenen Tages ließen ihn nicht los. Negromanus hatte sein Spiel mit ihm getrieben – aber zu welchem Zweck?
    David spürte, dass Rebekkas Vermutungen in die richtige Richtung zielten. Doch warum hatte der Schemen nicht einmal versucht sie anzugreifen? In der Zeit, die David von der Knochenhalle nach Hause gebraucht hatte, hätte er doch längst…
    Wie vom Katapult geschnellt fuhr David vom futon hoch. Dadurch wurde auch Rebekka auf unsanfte Weise geweckt.
    »Was ist denn los?«, brummte sie unwillig.
    »Ich bin ein Narr!« David versuchte verzweifelt Leben in seinen tauben Arm zu bekommen.
    »Was?«
    »Ein Hohlkopf, ein Dämlack, ein Rhinozeros, ein…«
    »David, hörst du wohl auf! Was ist denn mit einem Mal in dich gefahren?«
    »Ich habe ihn erst zu dir geführt.«
    »Wen?«
    »Na, wen schon? Negromanus! Wir haben uns hier versteckt, weil wir uns sicher fühlten. Das waren wir auch! Bis ich heute Nachmittag ohne jede Vorsicht zu dir zurückgestürmt bin. Ich verdammter…« Endlich

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