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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Amerika mit dem Leben davongekommen. Betroffen blickte David auf die beiden Frauen, die über die zu befürchtende Verarmung der deutschen Kultur unter den Nationalsozialisten lamentierten. Er musste wieder an Geoffrey, seinen Vater, und dessen fast hysterische Reaktionen auf Attentatsmeldungen denken.
     
     
    Einige Tage lang herrschte dann eine unheimliche Ruhe. Hitler feile an einigen neuen Gesetzen, berichtete Edgar, der nun wieder Redenschreiber Papens war. Der neue Reichskanzler wolle im Land zunächst für die Wiederherstellung des inneren Friedens sorgen. Wenn besonders viel vom Frieden geredet wird, darf man getrost davon ausgehen, dass es ihn nicht mehr lange geben wird – so viel hatte David bereits gelernt.
    »Das Reden über den Frieden ist die beliebteste Tarnung der Gewaltherrscher«, sagte Chaim zu David. Die Gültigkeit des Satzes, der wie ein philosophisches Theorem klang, sollte sich nur wenige Stunden später in der rauen Wirklichkeit auf schreckliche Weise zeigen.
    Es war der 27. Februar, ein Montag. David und Rebekka hörten gerade die Schottische Sinfonie von Mendelssohn Bartholdy im Radio, als plötzlich eine aufgeregt knarrende Männerstimme die weich fließenden Töne unterbrach:
     
    Meine Damen und Herren, Sie hören den Berliner Rundfunk, Wir unterbrechen unser Musikprogramm für eine wichtige Sondermeldung. Soeben ist bekannt geworden, dass der Deutsche Reichstag in Flammen steht. Die Polizei hat einen Verdächtigen verhaftet, der möglicherweise als Brandstifter infrage kommt…
     
    Das Paar vor dem Radioapparat sah sich bestürzt an.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Rebekka.
    David schüttelte den Kopf. »Nichts Gutes, befürchte ich.«
    Ungefähr zwei Stunden danach gingen David und Rebekka zu Bett. Neue Rundfunkmeldungen über den Reichstagsbrand waren frühestens am nächsten Morgen zu erwarten.
    Es sollte jedoch eine kurze Nacht werden.
    Gegen vier wurden sie von lauten Geräuschen im Haus aufgeschreckt. David schlüpfte in seinen Morgenmantel und lief eilig zur Wohnungstür. Als er sie öffnete, sah er sich dem Chaos gegenüber.
    Direkt vor ihm befand sich ein Polizist mit gezückter Pistole, die Treppe hinaufblickend. Gegenüber stand die Wohnungstür der Blumenthals offen. Die ganze Familie war im Türrahmen versammelt. Pünktchen bellte. Benni hatte weinend das Gesicht im Schoß von Ester vergraben. Auch die Mienen der beiden Mädchen verrieten Angst. Chaim diskutierte mit einem zweiten Polizisten.
    »Was bilden Sie sich eigentlich ein, unbescholtene Bürger mitten in der Nacht zu belästigen?«, protestierte er.
    »Wir befolgen nur unsere Befehle«, antwortete der Polizist.
    Von links hörte David das Knarren der Treppenstufen.
    »Bleiben Sie bitte zurück«, sagte der Beamte vor ihm.
    Zunächst erblickte David zwei weitere Uniformierte, dann einen Zivilisten mit Hut, langem schwarzem Ledermantel und Leichengräbermiene. (Pünktchen begann zu knurren.) Schließlich erschien Horst Lotter, die Arme im Klammergriff zweier weiterer Polizisten.
    Davids Herz drohte auszusetzen. Sofort fiel ihm Schleichers Beschattung ein. Der Gedanke, Horsts Verhaftung verschuldet zu haben, war ihm unerträglich. Und im Augenblick stand Richard in Potsdam auf Posten. Würde er der Nächste sein?
    »Was soll dieser Zirkus?«, rief David in den Flur.
    »Anscheinend meinen die, ich hätte das Reichstagsgebäude in Brand gesteckt«, antwortete Horst.
    Der Mann im Ledermantel blieb stehen, drehte sich um und bemerkte mit süffisantem Lächeln: »Dann hätten wir ja gleich zwei Verdächtige. Sie reden sich noch um Kopf und Kragen, bevor wir mit dem Verhör überhaupt begonnen haben, Herr Lotten«
    »So ein Unfug, Herr Lotter ist unschuldig!«, rief Onkel Carl von hinten.
    »Det wird sich ja noch zeijen!«, keifte die Joleite, zwar unsichtbar, aber dafür unüberhörbar aus dem dritten Stock. »Harn Se och seinen KPD-Ausweis mitjenommen? Er is’ in der Blechdose uffm Küchenschrank.«
    Der Schwarzmantel gab einem der Polizisten einen Wink und lief noch einmal die Treppe hinauf.
    Voller Unbehagen folgte David den Polizisten auf die Straße hinaus. Draußen stand ein grüner LKW, ein Kastenwagen. Die Uniformierten stießen Horst auf die Ladefläche, dort waren noch andere unglückliche Gesichter zu sehen. Nachdem der Schwarzmantel als Letzter eingestiegen war, machte sich das Entführerfahrzeug mit lautem Getöse davon.
     
     
    Am Vormittag des 28. Februar verbrachte David etwa zwei Stunden am

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