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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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wirkte völlig aufgelöst. Rebekka flößte ihr Tee und beruhigende Worte ein.
    Die zuständige Kommission in der Preußischen Akademie der Künste hätte die Bilder ihres verstorbenen Mannes als undeutsch abgestempelt, berichtete Mia schluchzend. Deshalb komme eine Wiederholung der erfolgreichen Ausstellung nicht infrage.
    »So ein Unfug, Mia!« Rebekka sprang auf, um ihrer Freundin, die wie ein Häuflein Elend am Küchentisch saß, den Arm um die Schulter zu legen. »Wer hat sich denn diesen Schwachsinn ausgedacht?«
    »Hitler.«
    »Dieser Banause sollte sich besser um andere Dinge kümmern, als die Bilder deines Mannes zu kritisieren!«
    »Aber so ist es doch gar nicht«, sagte Mia, der die Ironie in Rebekkas bissiger Bemerkung entgangen war. »Er hat nur die Anweisung gegeben, undeutsche Künstler und ihre Werke nicht mehr zu fördern.«
    »Aber ich denke, du und dein Mann, ihr seid doch Deutsche. Oder etwa nicht?«
    »Das spielt dabei überhaupt keine Rolle.«
    »Das musst du mir jetzt aber genauer erklären.«
    David schaltete sich ein: »Erinnerst du dich noch an die Lobeshymnen der Joleite über deutsche Großtaten jedweder Art, Bekka? Für die Nationalsozialisten muss alles irgendwie klar, monumental und mit möglichst wenigen Gehirnzellen erfassbar sein. Eine fliegende Riesenzigarre oder ein Monsterflugzeug – um deine Worte zu benutzen – sind so richtig nach ihrem Geschmack. Und in der Kunst gelten für sie eben ähnliche Maßstäbe. Am liebsten würden sie wahrscheinlich nur noch Bilder von blonden, blauäugigen, muskelbepackten Germanen sehen.«
    »Hauptsache, sie sind groß wie die Christbäume von der Joleite«, schniefte Mia.
    »Und sehen aus, wie von einem Fünfjährigen gemalt«, fügte Rebekka giftig hinzu, während sie Mias Rücken streichelte.
    »Wenigstens hat der Mann von der Kommission gesagt, dass ihm die Absage Leid täte. Er will aber dafür sorgen, dass ich keine Schwierigkeiten bekomme.«
    »Was für Schwierigkeiten denn?«
    »Na, wegen der Bilder von Edgar. Ich könnte es nicht ertragen, wenn man sie mir wegnähme.«
    »Mia, nun mach aber mal einen Punkt. Sie gehören doch dir. Wenn die Nationalsozialisten sie nicht ausstellen wollen, na dann eben nicht. Aber sie dir wegnehmen – wie ließe sich das noch mit Recht und Ordnung vereinbaren?«
    »Der Herr Kornmeister in der Akademie hat mich später zur Seite genommen und mich getröstet. Sicher sei der Spuk mit der NSDAP bald vorbei, meinte er. Aber so lange müsse er sich eben wie alle anderen an die neuen Vorschriften halten, damit es ihm nicht genauso ergeht wie dem Mann. Den haben sie jetzt nämlich auch vergrault.«
    David horchte auf, hielt sich aber zurück.
    »Heinrich Mann?«, fragte Rebekka erstaunt. »Ist er in der Akademie nicht Vorsitzender der Dichtkunstabteilung?«
    »War, Liebes. Er war es. Es ist noch nicht offiziell, aber ich habe heute von seinem Rücktritt munkeln gehört.«
    »Das gibt’s doch nicht!«
    Jetzt wähnte sich David auf sicherem Terrain. »Vermutlich haben die Nationalsozialisten es ihm übel genommen, dass er zur Bildung ›einer sozialdemokratisch-kommunistischen Einheitsfront gegen die Barbarei‹ aufgerufen hat.«
    Die beiden Frauen ignorierten ihn.
    Mia seufzte. »Einen so begnadeten Schriftsteller lassen sie einfach gehen!«
    »Sein Roman Der blaue Engel hat selbst mir gefallen«, stimmte David voller Anteilnahme zu.
    Für diese Bemerkung erntete er missbilligende Blicke. Davids Angetraute übernahm die Schelte.
    »Du sprichst von einem Film, mein Lieber, und nicht von Manns Buch. Der Titel des Romans, der als Vorlage für den Streifen gedient hat, lautet Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen. Vermutlich ist dir der Film nur wegen Marlene Dietrich im Gedächtnis haften geblieben, dieses blonden Vamps.« Rebekka hörte sich an, als spräche sie von einer Massenmörderin.
    David verlegte sich von nun an aufs Schweigen. Wenigstens hatte Mia für den Augenblick ihren Jammer vergessen. Die eigene Blamage verbuchte er auf das Konto »Opfer zur seelischen Wiederaufrichtung von Freunden«. Unauffällig angelte er sich die Morgenzeitung, die er wegen des Treffens mit Pastor Niemöller noch nicht gelesen hatte. Eine Randnotiz – immerhin auf dem Titelblatt – ließ ihn mit den Zähnen knirschen:
     
    REVOLVERATTENTAT AUF ROOSEVELT
     
    Der Anschlag hatte bereits am vergangenen Tag, dem 15. Februar, in Miami, Florida, stattgefunden. Glücklicherweise war der Präsident der Vereinigten Staaten von

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