Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
stehen für Ruben Rubinstein.«
»Der Name gefällt mir auch«, sagte Rebekka. »Ich bin übrigens Rebekka Pratt, auch eine Tochter Abrahams. Und das hier ist mein Mann, David.«
»Das ist ja eine Versammlung von geradezu talmudischen Ausmaßen!« Anscheinend hatte der Künstler sein beängstigendes Erlebnis einigermaßen überwunden. Seine vergnügte Feststellung wertete David als Auftakt zu den Preisverhandlungen.
»Was würde denn Ihr Einhorn kosten, Herr Rubinstein?«
»Eigentlich wollte ich es für einhundert Mark verkaufen, aber…«
»Ich finde, das ist ein fairer Preis für solch ein Kunstwerk«, unterband Rebekka jegliche Schacherei.
David runzelte unwillig die Stirn, aber als er ihren flehentlichen Blick sah, seufzte er. »Meine Frau ist bei uns die Kunstsachverständige. Mir obliegt es, ihren exquisiten Geschmack zu finanzieren.«
Ruben Rubinstein nickte beifällig. »Das ist eine sinnvolle Aufgabenteilung.«
Ein schneller Griff in die Brusttasche regelte das Finanzielle. David gab dem Künstler zwei Fünfzigmarkscheine, Rebekka nahm das Bild.
Die Augen des Malers strahlten. »Sollten Sie in Ihrer Wohnung noch eine kahle Wand entdecken, die nach Verschönerung schreit, so lassen Sie es mich wissen. Ich wohne im dritten Hinterhof, rechter Aufgang, direkt unter dem Dachboden.«
»Wir werden es uns merken«, versprach Rebekka.
Ruben Rubinstein verschwand in den besagten Lichthof. Und Rebekka belohnte Davids gute Tat mit einem langen Kuss im Dunkeln. Dann betraten sie den linken Hauseingang. David hob den einem Türklopfer nachempfundenen Messinggriff an der Wohnungstür von Sean und Sabrina und es ertönte eine elektrische Klingel.
»Was bringt ihr denn da mit?«, wunderte sich der Attaché, nachdem er geöffnet hatte.
»Nicht für dich«, meldete sich Rebekka.
David erzählte, was sie soeben in der Toreinfahrt erlebt hatten.
»Ich fürchte, wenn Hitler erst die Opposition ausgeschaltet hat, wird er sich alle anderen ›Undeutschen‹ vornehmen.«
Rebekka schüttelte sich. »Puh! Was für ein schreckliches Wort.«
»Er kann doch nicht die halbe deutsche Bevölkerung ins Gefängnis sperren«, brummte David.
Sean machte zur Antwort nur ein Gesicht, das mehr sagte als tausend Worte. Offenbar wusste er von einer Neuigkeit, die David noch nicht bekannt war.
Sabrina, mit Schürze und Kochlöffel, schwebte aus der Küche herbei, küsste und umarmte die Gäste und wandte sich dann an ihren Mann. »Hast du David und Rebekka schon gefragt, was sie trinken möchten?«
»Dazu sind wir noch nicht gekommen, Darling. Eigentlich wollte ich mit David erst etwas bereden.«
Sabrina verdrehte die Augen zur Decke. »Die schlimmsten Waschweiber sind die Männer.« Dann hakte sie sich bei Rebekka ein und zog sie samt Einhorn den Flur hinab. »Komm, Liebes, lass sie nur palavern, die beiden. Du kannst mir ja inzwischen erzählen, wie weit die Vorbereitungen zur Einschulung von eurem ›Patenkind‹ sind.«
»Von Benni? Oh«, kicherte Rebekka, »ich habe eine riesige Schultüte gebastelt. Fast fürchte ich, wir müssen für den Steppke noch einen Träger engagieren, weil sie um einiges größer ist als er selbst…«
Die beiden Männer saßen in Seans Arbeitszimmer. Der Hausherr lehnte in seinem Schreibtischsessel und hielt ein Glas Whiskey in der Hand. David nippte an einem Rotwein.
»Einer unserer Agenten in München hat vor drei Tagen eine Information bekommen, die ich, so sie denn stimmt, als äußerst ernst einstufe.«
»Du hörst dich schon an wie ein richtiger Vollblutdiplomat, Sean. Rück endlich raus mit der Sprache. Was ist passiert?«
»Der frisch gebackene Münchener Polizeipräsident Heinrich Himmler hat die Einrichtung eines Lagers auf dem Gelände und in den Steinbaracken einer ehemaligen Pulverfabrik in Dachau angeordnet. Offenbar laufen die Polizei- und Justizgefängnisse allmählich über, weil immer mehr KPD- und SPD-Angehörige verhaftet werden. Himmler will das Problem beseitigen, indem er alle Regimegegner in Dachau zusammenlegen lässt.«
»Und ich dachte immer, die Deutschen seien einfallsreich«, murmelte David mit grimmiger Miene.
Seans rechte Augenbraue hob sich. »Was willst du damit sagen?«
»Na, die ersten Konzentrationslager haben doch schließlich die Briten im Burenkrieg gebaut.«
Sean schob das Kinn vor. In der ihm eigenen trockenen Art erwiderte er: »Unsere überaus gründlichen deutschen Freunde haben ein Sprichwort. Wenn ich mich recht entsinne, lautet es: ›Wenn
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