Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
einziehen«, brummte David. Angeblich hatte man Horst Lotter ins Arbeitslager Brauweiler gesteckt, damit er dort die kränkelnde Volkswirtschaft aufpäppeln half. So weit war es also schon gekommen: Hitler führte die Sklaverei wieder ein.
Während Rebekka dem Spiegel missbilligend nachblickte, sagte sie: »Die Wohnung der Joleite soll in NSDAP-Hand bleiben. Herz heißt der neue Mieter, wenn es stimmt, was Ester mir erzählt hat. Und in die Wohnung von Hotte zieht ein Oberkommerzienrat Geyer ein.«
»Ein so hohes Tier muss auch ein bestimmtes Parteibuch in der Tasche haben. Bevor der preußische Landtag aufgelöst wurde, hat doch Göring noch allen nichtarischen Beamten nahe gelegt, ›freiwillig‹ den Dienst zu quittieren. Ende April haben sie dann die jüdischen Hochschullehrer entlassen.«
Rebekka hakte sich bei David unter. »Da kannst du Gift darauf nehmen, dass jetzt lauter Nazis bei uns einziehen. Komm, lass uns gehen. Sonst kommen wir noch zu spät.«
Sie fuhren mit der U-Bahn bis zum Bahnhof Gleisdreieck und liefen das kurze Stück bis zum Dennewitzplatz. Hier, inmitten des dichten Morgenverkehrs, direkt unter den schwarzen nietenübersäten Eisenträgern der Hochbahn hatten sie sich verabredet.
Edgar Jung wartete bereits.
David begrüßte den Publizisten und tippte dabei auf sein Handgelenk, als wolle er nach der Uhrzeit fragen.
Edgar streckte den Arm aus, blickte auf die Armbanduhr und sagte: »Lasst uns rüber in den Dennewitzpark gehen. Da dürfte uns niemand beobachten.« Dann sprang er behände durch den Verkehr auf die andere Straßenseite.
David und Rebekka blieben noch einen Augenblick stehen und unterhielten sich. Dabei blickte sich jeder unauffällig um. Seit ein paar Wochen war es fast unmöglich geworden, in der Öffentlichkeit Hitlers Hakenkreuzen aus dem Wege zu gehen. Man konnte sie überall entdecken: auf Fahnen, Plakaten, an Gebäuden, Automobilen, Menschen… Aber die gefährlichsten Hakenkreuzanhänger trugen ihr Emblem sicherlich nicht offen zur Schau.
»Komm!«, sagte David zu Rebekka, als er sicher war, dass sie von niemandem beschattet wurden. Sie warteten auf die nächste Lücke zwischen zwei Fahrzeugen und liefen hinüber zum Park.
Edgar saß auf einer Holzbank und fütterte Enten. Die Tiere stürzten sich von einem kleinen Weiher aus auf seine Brotkrumen, als hätten sie in diesem Jahr noch nichts zu fressen bekommen.
»Was ist denn geschehen?«, fragte David, nachdem er und Rebekka sich auf derselben Bank niedergelassen hatten. Edgar hatte ihm zuvor durch einen Boten einen Blumenstrauß zukommen lassen. Auf der beiliegenden Karte war zu lesen gewesen: »Herzlichen Glückwunsch zum Hochzeitstag.« Das bedeutete nichts Gutes.
»Papen ist ins Ausland verreist«, antwortete Edgar, ohne das scheinbar ganz mit sich selbst beschäftigte junge Paar anzusehen.
»Was? Etwa um sich abzusetzen?«
»Wenn’s doch nur so wäre! Nein, er befindet sich in Rom, Im Vatikan, um genau zu sein.«
David schloss die Augen und vergrub das Gesicht in Rebekkas Haaren. Jetzt geschieht also genau das, was ich befürchtet habe. »Er versucht Hitlers Ruf im Ausland aufzupolieren, stimmt’s?«
»Wenn seine Mission Erfolg hat, wird das sicherlich der Fall sein.«
»Lass mich raten: Er verhandelt mit Eugenio Pacelli.«
»Woher weißt du…?«
»Der Kardinal ist ein Kenner der deutschen Seele, Er hat den Heiligen Stuhl hier zwölf Jahre lang als Nuntius vertreten.« Und er würde so gut wie alles für seine vierzig Millionen Schäflein in diesem Land tun.
Edgar warf den letzten Rest seiner Krumen vor die quakende Schar, »Franz von Papen leitet für Hitler die Verhandlungen über den Abschluss eines Reichskonkordats, Anscheinend ist der Vatikan ganz wild darauf, mit Hitler einig zu werden, natürlich nur, um seine Interessen zu wahren, wie es aus offiziellen Quellen heißt. Die Kurie hat letztes Jahr zwar mit Baden auf Landesebene einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen…«
»…und vor vier Jahren mit Preußen und 1924 mit Bayern, Ich kenne Pacellis beruflichen Werdegang in- und auswendig, Edgar.«
»Dann wirst du dir ja auch denken können, dass die Umstände für ein solches Vertragswerk noch nie so günstig waren wie gerade jetzt, Hitler braucht einen Erfolg auf dem internationalen Parkett und der Vatikan giert nach einer Police zur Absicherung seines deutschen Besitzstandes.«
»Und der Musterkatholik Franz von Papen soll beides in die Wege leiten. Warum konntest du mir keine
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