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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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den üblen Umgang der deutschen Regierung mit den eigenen Künstlern aufmerksam geworden. Sabrina hat mir erzählt, dass gestern sogar Arturo Toscanini deswegen seine Teilnahme an den Bayreuther Festspielen abgesagt hat. Stell dir das einmal vor, David: Ar turo Toscanini, der weltberühmte Dirigent!«
    David schüttelte ungläubig den Kopf. Toscanini?
    »Übrigens«, sagte Rebekka nach einer Weile und lächelte ihn von der Seite her an, »das mit der Umformulierung des Plakates hat mir gefallen. Es war so… intellektuell.«
    Das Paar spazierte am Hotel Adlon vorbei, den Flanierboulevard Unter den Linden entlang, um dann beim Berliner Dom nach Norden abzubiegen und dem Spreeufer zu folgen. Das war vielleicht nicht der kürzeste Weg zu den Griffiths, aber es gab keinen Grund zur Eile. Sean und Sabrina hatten sie erst auf fünf Uhr nachmittags bestellt, es blieb also genügend Zeit, um im Opern-Café noch einen Zwischenstopp einzulegen.
    Rebekka bestellte sich einen schwarzen Tee und ein großes Stück Mohnkuchen. David begnügte sich mit einem Kännchen Kaffee.
    »Du siehst so besorgt aus, Liebster«, brach Rebekka endlich das minutenlange Schweigen.
    David blickte von der Kaffeetasse auf und brachte ein einigermaßen akzeptables Lächeln zustande. »Mich beschäftigen immer noch die Bücher. Weißt du, was Chaim mir gestern erzählt hat?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Er hat ein Angebot von der Kiepertschen Buchhandlung bekommen. Sie würden ihn als Verkäufer einstellen, obwohl er Jude ist.«
    Rebekka ließ die Gabel mit dem Kuchenstück wieder sinken. »Dann will er also tatsächlich seinen Laden aufgeben?«
    »Er kämpft noch mit sich selbst, aber ich fürchte, es wird darauf hinauslaufen. Seit der Verkündung des Judenboykotts ist der Umsatz völlig zusammengebrochen. Hinzu kommt noch, dass sie Onkel Carl die Pension gestrichen haben.«
    »Aber das können sie doch nicht…!«
    David nickte traurig. »Doch, Bekka, das können sie. Die Blumenthals sind Juden. Pensionen erhalten nur die ›deutschen Volksgenossen‹. Für Hitler sind alle Juden Ausländer und ich glaube, er wird sie eher früher als später aus diesem Land jagen. Ehrlich gesagt, mache ich mir um dich langsam Sorgen, Schatz. Vielleicht sollten wir Deutschland auch den Rücken kehren.«
    Rebekka nahm seine Hand und drückte sie fest. »Ich habe heute früh mit Ester gesprochen. Sie meint, schlimmer als jetzt könne es eigentlich nicht mehr werden.«
    »Hoffentlich irrt sie sich da nicht.«
    »Oh nein, Sean, tu mir das nicht an!«
    »Im Grunde habe ich gar keine andere Wahl, David. Wenn der Botschafter möchte, dass ich als Gesandter im Hamburger Konsulat antrete, dann ist das eher ein Befehl als ein Angebot.«
    »Und Befehle muss man befolgen. Das leuchtet mir ein.«
    »So hört sich das aber nicht an.«
    David schüttelte den Kopf und holte tief Luft. »Du bist hier einer meiner treuesten Verbündeten, Sean! Abgesehen von Edgar Jung vielleicht habe ich niemanden so umfassend in die Hintergründe des Jahrhundertplans eingeweiht. Die meisten meiner Auslandskontakte laufen über dich. Wenn du mich verlässt, muss ich mir neue Vermittler suchen und die Bruderschaft draußen informieren. Du weißt schon: verschlüsselte Nachrichten in toten Briefkästen und fingierten Warenlieferungen, konspirative Treffen… Das alles bedeutet nicht nur Arbeit, sondern auch ein großes Risiko. Verstehst du mich? Ich brauche dich, Sean. Hier! «
    »Du musst mich aber auch verstehen, David. Es wäre absolut ungewöhnlich, die Versetzung nach Hamburg zurückzuweisen. Man würde Fragen stellen. Fragen, die deiner Sache nicht dienlich wären.«
    »Ich dachte immer, es wäre unsere Sache, Sean.«
    Das schmale Gesicht des Diplomaten spiegelte seine innere Zerrissenheit wider. Die bevorstehende Trennung setzte auch ihm zu. Einen Herzschlag lang schloss er die Augen, dann sagte er: »Es ist unsere gemeinsame Sache, David. Ich bin ja nicht aus der Welt. Nicht einmal aus Deutschland. Wir bleiben weiter in Kontakt.«
    »Etwa über Väterchen? Ich traue ihm nicht, Sean.«
    »Wir vereinbaren einen neuen Geheimcode. Am besten, wir nehmen ein Werk der Weltliteratur und basteln uns daraus unsere Botschaften zurecht. Wer nicht weiß, welches Buch wir uns ausgesucht haben, kann auch die Nachricht nicht knacken.«
    David kannte das Verfahren. Man tauschte drei Zahlenkolonnen aus. Zur Übermittlung eines einzelnen Wortes gab man an, auf welcher Seite, Zeile und Position es sich befand.

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