Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
bessere Nachricht überbringen, Edgar?«
Verstohlen drehte der Publizist den Kopf zu David und Rebekka. »Ich habe sie nicht gemacht, mein Freund. Leider bin ich nur der Bote.«
»Wenn Papen zurückkommt, dann bleib bitte an ihm dran, Edgar. Dieser Mensch wird mir langsam unheimlich.«
Der Publizist setzte ein gequältes Lächeln auf. »Die meisten würden in Papen ein Musterbeispiel des ewigen Verlierers sehen.«
»Ja«, sagte David bitter, »anscheinend bezweckt er auch genau das. Aber nimm nur einmal an, dass er Porzellan zerschlagen will. Wenn in Wirklichkeit der Zusammenbruch der Ordnung und die Entmenschlichung des öffentlichen Lebens sein Ziel ist, dann steht er mit einem Mal wie der glänzende Sieger da. Wir müssen etwas gegen diesen Mann unternehmen, Edgar, und zwar so schnell wie möglich.«
Nachdem Friedhelm Lauser und Sean Griffith Berlin verlassen hatten, kümmerte sich David vermehrt um seine verbliebenen zwölf »Brüder« in der Stadt. Als der Juni zu Ende ging, kam ein dreizehnter hinzu.
Martin Niemöller machte sich große Vorwürfe wegen seiner früheren Fehleinschätzung der Nationalsozialisten. Hitler paktierte mit der katholischen Kirche und versuchte auch die evangelische zu kontrollieren. Die Protestanten warfen sich ihm allerdings nicht ganz so bereitwillig an den Hals wie die deutschen katholischen Bischöfe.
»Weißt du, was mich endgültig gegen die Nationalsozialisten aufgebracht hat?«, fragte Niemöller bei einem nächtlichen Treffen in Dahlem. »Es sind die Konzentrationslager.«
»Welche denn?«, fragte David vieldeutig.
»Ich habe bisher von sechs gehört: Oranienburg, Quednau, Sonnenburg, Hammerstein, Lichtenburg, die Strafanstalt Werden und das Arbeitslager Brauweiler.«
David nickte ernst. »Dann kommt jetzt noch ein siebtes hinzu: Dachau bei München. Vermutlich gibt es sogar noch andere. Goebbels’ Propagandaministerium ist in diesem Punkt auffällig schweigsam. Wenn das so weitergeht, hält sich Hitler bald sämtliche Kommunisten, Sozialdemokraten und auch noch die Gewerkschafter als persönliche Sklaven.«
Martin zog an seiner ausgegangenen Pfeife. »Was erwartest du eigentlich genau von mir, David?«
»Ich habe den stellvertretenden Reichskanzler im Verdacht, Hitlers Position mithilfe der katholischen Kirche festigen zu wollen. Auch wenn du mir meine Weltverschwörungstheorie, oder wie du es genannt hast, noch nicht ganz abnehmen kannst, bin ich der festen Überzeugung, dass hier, in Deutschland, etwas seinen Anfang nimmt, was die ganze Welt ins Chaos stürzen könnte. Du hast gute Kontakte zu einigen katholischen Bischöfen. Wenn du also etwas Wichtiges über die Verhandlungen im Vatikan erfährst, dann lass es mich wissen. Aber sei bitte vorsichtig! Für die Drahtzieher des Jahrhundertplans ist ein Menschenleben nichts wert.«
Die Antwort aus Rom kam und kam nicht. Nachdem David von Papens Verhandlungen mit Pacelli erfahren hatte, schickte er sofort eine Nachricht an Lorenzo Di Marco. In dem Umschlag befand sich auch ein Brief an Papst Pius XI. David war zwar im Schriftlichen ein durchaus überzeugender Anwalt der eigenen Interessen, aber seine Gabe der Wahrheitsfindung erzielte nur im persönlichen Gespräch ihre volle Wirkung.
Er versuchte es trotzdem. Lorenzo möge dem Papst bitte unbedingt und so bald wie möglich das Schreiben aushändigen.
Mit eindringlichen Worten schilderte David darin dem Oberhaupt der katholischen Kirche die zu erwartenden Konsequenzen aus einem Konkordat zwischen dem Vatikan und dem Deutschen Reich. Seinen Freund, den Benediktiner, flehte er außerdem an, bei Pius gegen den Vertrag zu votieren und mit allem Nachdruck die Suche nach der »Gebrauchsanweisung für Jasons Träne« voranzutreiben.
David äußerte freimütig sein schlechtes Gewissen bei dieser letzten Bitte, waren seine eigenen Forschungen im Pergamonmuseum doch zuletzt fast im Sande verlaufen, weil der Kampf gegen Papen ihm alles abverlangt hatte. Aber er gelobte Besserung und wiederholte seine Bitte um Unterstützung. Angesichts der riesigen Ausmaße der Vatikanischen Archive verlange er von Lorenzo wohl Übermenschliches, jedoch die Lösung dieses einen »Tränen-Rätsels« könne dem ganzen »Belial-Spuk« ein Ende bereiten.
Am 20. Juni erhielt David eine Nachricht aus dem Tempelhofer Krankenhaus St. Joseph. Dort arbeitete eine Kinderschwester namens Magdalena Mertens, die auch im Sinne von Davids Schattenarchiv eine »Schwester« war. Sie hatte
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