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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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nur, so viele Personen auf seine Seite zu bringen?«
    Edgar lockerte seinen Krawattenknoten. »Er kennt die richtigen Leute und zieht im rechten Moment an den passenden Hebeln. Wie er die Katholische Aktion und führende Industrielle gegen den Kommunismus aufmarschieren ließ, das ist schon auf eine perfide Art genial! Dadurch hat er sowohl Hitler als auch Pius XI. für sich gewonnen.«
    »Langsam hängt mir diese Art von Genialität zum Halse heraus. Einmal hat Papen doch schon gezeigt, dass er korrumpierbar ist. Er ist zwar ein miserabler Politiker, aber der Gedanke Macht auszuüben reizt ihn dennoch.
    Könntest du nicht noch einmal versuchen auf ihn einzuwirken, Edgar? Wenn er Hitler als eine Gefahr für sich sieht, unternimmt er vielleicht doch etwas, um den Größenwahnsinnigen zu Fall zu bringen.«
    Edgar atmete tief ein und ließ die Luft dann geräuschvoll durch die Nase ausströmen. »Wenn es nach mir ginge, hätte Papen schon vor Wochen mit Hitler abgerechnet. Ich spreche mit dem Vizekanzler. Vielleicht darf ich ja endlich die Rede für ihn schreiben, die mir vorschwebt.«
     
     
    Für den 12. November waren Reichstagswahlen ausgeschrieben, eigentlich ein irreführender Begriff, denn außer der NSDAP gab es ja niemanden mehr, den die Deutschen wählen konnten. Zu dem ganzen Spektakel passte gut ein Ausspruch von Henry Ford, den er einmal über seine grundsätzlich in schwarz ausgelieferte Tin Lizzy gemacht hatte. Geringfügig verändert war er auch gut auf die deutsche Misere anzuwenden: »Sie können das Modell ›Reichskanzler‹ in jeder Farbe haben, Hauptsache, sie ist braun.«
    Um wenigstens den Schein zu wahren, hängten die Nationalsozialisten verschiedenartige Wahlplakate auf. Eine Variante erfüllte David mit besonderem Abscheu. Sie war scharlachrot. Schon von weitem stach einem das fett gedruckte Wort »Reichskonkordat« entgegen. Darüber stand die Frage: »Warum muss der Katholik die Reichstagsliste Adolf Hitlers wählen?« Acht Punkte gaben die Antwort. Für die Vergesslichen schloss der Text auf dem Plakat mit dem Hinweis »Deshalb muss der Katholik am 12. Nov. so wählen«, dann kamen ein dickes Kreuz und der Name Adolf Hitler.
    Dieser Bedienungsanleitung folgten nicht nur viele Katholiken. Die NSDAP »errang« bei der »Wahl« konkurrenzlose zweiundneunzig Komma eins Prozent der Stimmen. Papen mochte sich insgeheim freuen. Nicht nur über das Großkreuz des Piusordens, das ihm Pacelli – gewissermaßen als Vorschuss auf himmlische Wonnen – während der Unterzeichnung des Reichskonkordats um den Hals gehängt hatte.
    Mehr noch als das päpstliche Ehrenzeichen beglückte Belials Jünger sicher das Erreichen eines wichtigen Meilensteins des Jahrhundertplans: Hitler konnte jetzt fast alles tun, was er wollte, und das sogar mit der moralischen Unterstützung der Institution, die sich selbst als Hüterin der Moral ansah.
    Auch Rebekka bekam nun die Judenfeindlichkeit im Land zu spüren. Seit sie mit David an den Richardplatz gezogen war, hatte sie keinen Hehl daraus gemacht, was für eine »Sorte Blut« in ihren Adern floss. Das erleichterte Gottfried Herz die Arbeit. Er hetzte die Nachbarschaft gegen »die Judenbrut« im Parterre und die Bibelforscher im ersten Stock auf. Immer wenn Herz einen Nachbarn zu Gesicht bekam, streckte er den Arm schräg nach oben und schrie: »Heil Hitler!«
    Dieser so genannte deutsche Gruß sei gar nicht so germanisch, hatte ihn David kurz nach der Entlassung von Wolfgang Hermann wissen lassen. Schon Mussolinis Untertanen hätten sich in den Zwanzigern vortrefflich aufs Armhochreißen verstanden.
    Herz konnte das nicht beeindrucken. Die Italiener hätten ja wohl kaum »Heil Hitler!« gerufen, also seien die beiden Grußformen überhaupt nicht miteinander zu vergleichen.
    Bevor die inzwischen ganz auf die Parteilinie eingeschworenen Richter in die Weihnachtsferien gingen, verurteilten sie Mia Kramer noch zu acht Jahren Gefängnis. Dieses Strafmaß sei das Beste, was er für seine Klientin habe herausholen können, rechtfertigte sich Dr. Singvogel nach der Verhandlung gegenüber David und Rebekka.
    »Aber es war doch ein Unfall!«, jammerte Davids Frau. »Sie hat sich mit der Joleite gerangelt. Das ist doch verständlich bei dem, was die alte Jungfer Mia angetan hat.«
    »Frieda Joleite gehörte der NSDAP an. Wäre sie eine Kommunistin gewesen und hätte Frau Kramer in ihrer Wohnung keine Kunst ›wider den deutschen Geist‹ versteckt, wäre vielleicht sogar ein

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