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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Greis mit zerschlissener Strickjacke.
    »Die SS war da. Vor ‘ner halben Stunde vielleicht. Haben da oben ‘ne junge Frau rausgeholt. Muss in der Wohnung von dem Berliner gesteckt haben.«
    David glaubte, sein Herz bliebe stehen.
    »Wie kannste denn sagen, dass die von der SS waren?«, beschwerte sich eine zitternde Alte, die vor lauter Aufregung ihr Gebiss in der Wohnung gelassen hatte.
    David überließ die Hausbewohner ihrer Debatte und stürzte in den Flur. Da standen noch weitere Neugierige. Einige musterten ihn argwöhnisch, andere bedauernd, einer feindselig. Vermutlich der Blockwart. David packte den Mann – der Statur nach ein Maurer oder Straßenarbeiter – am Schlafittchen und schrie: »Wo bringen sie die Verhafteten immer hin?«
    Der Hüne dachte, er könne sich Davids Griff mühelos entwinden, machte auch Anstalten dazu, gab den Versuch aber nach einem ausgerenkten Daumen schnell auf.
    »Wohin?«, herrschte ihn David noch einmal an.
    »Ich habe damit nichts zu tun. Wirklich nicht!«, wimmerte der Große.
    »Das habe ich nicht gefragt.«
    »Ich würde mich auf der Wache erkundigen.«
    »Und auf welcher?«
    Der Blockwart erklärte es ihm und David rannte aus dem Haus.
    Zum Glück stand das Taxi noch da. Der Fahrer hatte Interesse an dem Menschenauflauf gefunden und sich dazugesellt. David zwang ihn zur sofortigen Weiterfahrt.
    Am Ziel angekommen, lief er mit flatterndem Mantel in das Revier. Der Taxifahrer verzichtete auf eine weitere Fuhre und suchte schleunigst das Weite.
    »Haben Sie eben eine junge Frau verhaftet?«, rief er dem Diensthabenden zu, noch ehe er ganz in der Wachstube war.
    Der Beamte, ein untersetzter Endvierziger, stand hinter einem hohen Tresen und grinste süffisant. Ein anderer an einem Schreibtisch, etwa im gleichen Alter, tat das Gleiche.
    »Sie sind in Hamburg, junger Mann. Da haben wir öfters Frauenbesuch auf der Wache. Wie sieht sie denn aus, Ihr Schnuckelchen?«
    David packte den Polizisten wie zuvor den Blockwart am Revers und zischte: »Hören Sie, guter Mann. Ich suche meine Ehefrau, nicht irgendein ›Schnuckelchen‹. Man hat sie gerade festgenommen. Ich bin britischer Staatsbürger. Es muss sich um eine Verwechslung handeln. Also geben Sie mir bitte eine deutliche Antwort auf eine klare Frage.«
    Sein ganzes Auftreten wirkte so einschüchternd auf die beiden Beamten, dass sie ganz vergaßen, auf ihre Amtswürde zu pochen. Der am Tresen schlug sogar vor: »Am besten zeige ich Ihnen, was uns heute für Fische ins Netz gegangen sind. Kann ja sein, dass Ihre Frau dabei ist.«
    David nickte dem Beamten zornig zu. Eine Minute später blickte er in eine trostlose Zelle, in der sich drei weibliche Wesen der Gattung »Schnuckelchen« befanden. Rebekka war jedenfalls nicht darunter.
    Plötzlich überkam David ein Gefühl der Verzweiflung. Mit hängenden Schultern folgte er dem Diensthabenden in die Wachstube zurück. Der schien jetzt sogar so etwas wie Mitleid zu empfinden.
    »War’s ‘ne Razzia?«, erkundigte er sich fürsorglich.
    Sein Kollege trat mit an den Tresen und fügte erklärend hinzu: »Hein meint, ob sich Ihre Kleine in einer Kneipe aufgehalten hat, die zum Objekt einer polizeilichen Ermittlung wurde?«
    David schüttelte müde den Kopf. »Eine ganz normale Wohnung. In der Langen Straße.«
    »Sie sind doch kein Politischer, oder?«, fragte der Polizist, den der andere Hein genannt hatte.
    »Meinen Sie, ich würde Ihnen das dann sagen?«
    »Also, wenn Himmlers Leute ihre Finger im Spiel haben, suchen Sie Ihre Frau bei uns vergeblich. Vermutlich ist sie dann längst im Lager Neuengamme und…«
    »So ‘n Quatsch, Hein«, ging der zweite Beamte dazwischen. »Nach Neuengamme schicken sie nur Männer. Er soll es mal in Fuhlsbüttel versuchen.«
    »Ein Gefängnis?«, fragte David.
    »So könnte man sagen. Lassen Sie uns nur schnell Ihre Personalien aufnehmen, dann geben wir Ihnen die Adresse.«
    »Vielen Dank für den Hinweis«, antwortete David und lief schon wieder los.
    Bevor Hein noch seine Körpermassen hinter dem Tresen hervorgewuchtet und auf die Straße hinausgeschoben hatte, war der aufgeregte Ehemann bereits verschwunden.
     
     
    Das Taxi hielt gegen ein Uhr nachts vor der Strafanstalt Fuhlsbüttel im Hamburger Norden. David wies den Fahrer an, eine Stunde zu warten, und zahlte ihm dafür ein fürstliches Entgeld.
    Er klingelte an der Gefängnispforte. Es dauerte ungewöhnlich lange, bis sich endlich schlurfende Schritte näherten, eine kleine Luke im Tor

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