Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
ihre Vereinbarungen halten. Das bedeutet dann das Ende der Appeasement-Politik. Mit anderen Worten: Krieg.«
»Woher willst du eigentlich wissen, dass dieser Überfall auf den Radiosender eine Kriegslist ist?«
»Das lehrt mich meine Erfahrung mit Belial und seinen Schergen. Es ist schon bitter, dass wir nicht einfach unsere britischen Pässe vorzeigen und uns von hier absetzen können.«
»Vielleicht sind wir zu vorsichtig, David. Für den Kreis der Dämmerung sind wir doch vor einem Jahr in Rauch aufgegangen.«
»Wenn ich nur wüsste, dass sie unserem Winkelzug nicht auf die Schliche gekommen sind. Ich will jedenfalls nichts riskieren. Wir müssen so schnell wie möglich aus Deutschland rauskommen – heimlich! Das Treffen heute Abend könnte unsere letzte Gelegenheit dazu sein. Steht dieses Land erst einmal unter Kriegsrecht, kann seinen paranoiden ›Führer‹ nichts mehr aufhalten.«
»Sei bitte vorsichtig, David.« Rebekka drückte ihren Mann so fest, wie sie nur konnte. Auch die beiden Schwerter unter seinem Mantel hielten sie nicht davon ab.
David erwiderte die Umarmung und küsste ihr duftendes Haar. »Es wird schon alles gut gehen, Schatz. Wenn ich meine Sinne anspanne, kann mich so schnell nichts überraschen. Es ist nur wichtig, dass du dich hier nicht muckst. Schalte das Licht nicht an. Gib möglichst keinen Laut von dir. Niemand soll merken, dass sich jemand in der Wohnung aufhält. Und vor allem: Öffne keinem die Tür, bis ich zurück bin.«
»Wie damals auf Blair Castle!«
»Genau so machst du es. Damals ist auch alles gut geworden.«
Mit der Straßenbahn und zu Fuß begab sich David zum Ort der nächtlichen Verabredung. Die Hamburger Speicherstadt war ein riesiges, von Kanälen durchzogenes Areal, Millionenwerte lagerten hier. Sämtliche Waren, welche die großen Ozeanriesen aus aller Herren Länder in den Hafen brachten oder irgendwann ausführen würden, konnte man in den Lagerhäusern der Speicherstadt finden. Etliche Handelskontore hatten hier ihre Büros. Doch jetzt, kurz vor elf Uhr nachts, war alles still.
David sah sich immer wieder um, konnte aber keine Menschenseele entdecken. Warum gab es hier keine Wachen, die auf die Schatzhäuser aufpassten? Nun ja, möglicherweise wurden hinter den Mauern gegenüber dem Kanal ja weniger wertvolle Waren gelagert – Nägel, Fischmehl, Insektenvertilgungsmittel.
Endlich hatte er den Speicher gefunden, ein rotes Backsteinhaus von vier oder fünf Stockwerken. Mehrere Reihen schmutziger Fenster blickten auf den Kanal hinaus. Der Pier, auf dem tagsüber Waren gelöscht wurden, lag im trüben Licht einer erbärmlich kleinen Laterne.
Schnell entdeckte David den bezeichneten Nebeneingang. Im Lagerraum dahinter sollte er den Kontaktmann treffen. Der Zeiger von Davids Armbanduhr rückte auf elf vor. Noch vier Minuten. David betrat das Haus.
Neben dem Eingang fand er einen Lichtschalter, aber wegen der konspirativen Natur des Treffens sah er von dessen Gebrauch ab. Der Laternenschein draußen konnte die Schmutz starrenden Fenster kaum durchdringen, in der Halle herrschte ein dämmriges Zwielicht. Zwischen und hinter den großen Holzkistentürmen, die überall auf dem Boden herumstanden, klafften finstere Lücken. Die ganze Szene wirkte fast wie ein verkleinertes Modell von Manhattan bei Stromausfall.
Langsam arbeitete sich David in den Raum vor. Seine Rechte lag am Griff des katana. Er überlegte lange, ob er sich durch Rufen bemerkbar machen sollte, entschied sich letztlich aber dagegen. Wenn hier jemand war, dann musste er ihn beim Hereinkommen gehört oder gesehen haben. Und wenn er sich dennoch nicht zu erkennen gegeben hatte…
Vielleicht war der andere auch einfach nur vorsichtig. David schlich weiter. Er bog nach rechts in eine lange Flucht ein, die wie der Broadway dieses Klein New York auf seiner gesamten Länge durchschnitt. Am Ende konnte David eine kahle Backsteinmauer erahnen. Während er in den Gang vorstieß, spähte er immer wieder in die Abzweigungen zu beiden Seiten. Die hölzernen »Wolkenkratzer« stanzten tiefschwarze Schatten in den von draußen einfallenden Laternenschimmer. Ein Paradies für finstere Gestalten.
Als David schon fast die Mauer an der Stirnseite des Lagerhauses erreicht hatte, blieb er unschlüssig stehen. Anscheinend war der Vertreter der »Reiseagentur« doch noch nicht hier. Er drehte sich um, wollte zum Eingang zurück, da meldete plötzlich seine Sekundenprophetie eine tödliche Gefahr.
David
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