Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
und eine Mütze mit einem Totenkopf darauf. Hinter dem ersten befand sich noch ein zweiter SS-Mann. Wenn ihm nicht sofort etwas einfiel, war er verloren…
Das Licht ging an, aber der Bewaffnete sagte: »Die Beleuchtung scheint kaputt zu sein. Gib mal deine Taschenlampe, Heinz.« Zwei Sekunden später: »Die ist auch im Eimer.«
Schritte waren zu hören. Schwere Stiefel. Ein Mann trat in den Raum und blieb sofort stehen.
»Was ist das?«, erklang eine entsetzte Stimme. »Ich kann nichts mehr sehen.«
Die Antwort des Kameraden bestand in einem lauten Poltern von der Treppe her. »Verflucht noch mal! Mir geht es genauso. Ich hätte mir fast das Genick gebrochen. Was ist das, Heribert?«
»Keine Ahnung. Vielleicht Nervengas. Dieser Hund könnte sich das Ganze als Rache ausgedacht haben. Komm, bloß raus hier!«
Die Stiefel donnerten wieder die Stiege hinab. David atmete auf. Diesmal nahm er die Blindheit nicht von den Schergen zurück, wie er es im Schwabinger Krankenhaus getan hatte. Irgendwann – wenn die grau gefärbten Zellen in den Augenlinsen sich auf natürlichem Weg erneuerten – würde die Sehfähigkeit zurückkehren.
Nach allem, was er den Worten der Männer hatte entnehmen können, waren sie wirklich hergekommen, um ihn zu fangen. Also hatte der Jesuit die SS eingeschaltet. Rücksichtslosere Jäger hätte er ihm kaum auf den Hals hetzen können.
Durch die Hintertür schlich sich David schließlich wieder in die Nacht hinaus. Er würde nie wieder in dieses verfluchte Haus zurückkehren.
Am nächsten Morgen, kurz vor acht, war er wieder in der Strafanstalt Fuhlsbüttel. Dank seiner außergewöhnlichen Überredungsgabe saß er kurze Zeit später im Büro des stellvertretenden Direktors. Der Chef arbeite samstags nie, erklärte der stämmige Mann mit der rot-weiß-schwarzen Hakenkreuzbinde.
David schilderte seinen Fall: Er heiße Albert Dean, sei britischer Staatsbürger und suche nach seiner Frau Roberta, die aufgrund eines tragischen Irrtums in der vergangenen Nacht festgenommen worden sei.
»Ist Ihre Frau Jüdin?«
Warum fragen eigentlich alle nur danach? »Sie ist ebenfalls Engländerin.«
»Das wollte ich nicht wissen. Könnte man sie für eine Jüdin halten?«
»Sie hat dunkle Haare, dunkle Augen und einen dunklen Teint – genügt das als Antwort?«
»Wenn Sie sich bitte einen Augenblick gedulden würden, Herr Dean.«
Der stellvertretende Direktor hob den Hörer des Telefons auf seinem Schreibtisch ab und wählte eine Nummer. Als die Gegenseite sich meldete, forderte er die Einlieferungsunterlagen der letzten vierundzwanzig Stunden an. Kaum fünf Minuten später betrat ein Vollzugsbeamter das Büro und legte ihm einen kleinen Stapel von Formularen auf den Tisch. Der diensthabende Direktor überflog die Eintragungen.
»Wie alt, sagten Sie, ist Ihre Frau?«
David antwortete und lieferte noch eine kurze Personenbeschreibung.
Der stellvertretende Anstaltsleiter ließ die Papiere auf seinen Schreibtisch sinken und schüttelte den Kopf. »Selbst wenn sie einen falschen Namen angegeben haben sollte, sie ist nicht bei uns.«
»Wie können Sie sich da so sicher sein?«
»Wir haben nur fünf Neuzugänge. Alle männlich.« Davids Hand schnellte vor und packte den Stapel Formulare. Dann stand er von seinem Stuhl auf und ging ein paar Schritte zurück, um etwas Distanz zwischen sich und den tobenden, mit den Händen nach ihm schnappenden Direktor zu bringen.
Die Papiere waren schnell überflogen. Der Mann hatte die Wahrheit gesagt. Nun hatte er wieder den Telefonhörer in der Hand, um nach seinem Wachpersonal zu rufen. Dummerweise schien sich die Wählscheibe des Apparats verklemmt zu haben: Nur mit Mühe ließ sie sich bewegen. Und bevor noch der zornige Direktor des Problems Herr wurde, war David schon in Richtung Ausgang verschwunden.
Er hatte schon von ihnen gehört, zum Glück aber noch nie einen von innen gesehen. Die Verhörkeller der Gestapo waren berüchtigt. Nicht wenige Verdächtige, die bei bester Gesundheit dorthin verschleppt worden waren, kamen erst als Leichen wieder heraus. Der Gedanke, Rebekka könne sich in einem dieser Verliese befinden, machte David fast wahnsinnig.
Mit tränenfeuchten Wangen eilte er durch Straßen, die er nicht kannte, vorbei an überraschten Gesichtern, die ihm nichts sagten. Irgendwie fand er dann doch das Rathaus der Hansestadt Hamburg. Es lag – selbstverständlich – am Adolf-Hitler-Platz. Wenn er von offizieller Seite her Auskunft
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