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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Stück hoch. Der Hüne bedeutete dem »Gast« sich die Schuhe auszuziehen und diese gegen ausgetretene Latschen einzutauschen. Erst dann schoben ihn die beiden anderen Schergen aus dem leeren »Vorzimmer« des Gefängnisses auf einen Gang hinaus. Er wurde zwischen Reispapierwänden hindurch zu einer Treppe und dann in den ersten Stock des Palastes gebracht.
    Vor einem Tatami-Zimmer entledigte sich David nun auch seiner Hausschuhe und trat auf Strümpfen in den großen Raum. Aquarelle sowie mehrere Samurai-Schwerter hingen an den Wänden. Auf dem Boden davor standen drei riesige chinesische Vasen. Das Zimmer war durch ein einzelnes Öllicht schwach erleuchtet, das sich auf einem rechteckigen flachen Tisch aus rötlichem Holz befand. Davids Aufmerksamkeit wurde sofort von den Gegenständen angezogen, die im Lichtkreis des Lämpchens funkelten: Er erblickte ein Tintenfass mit Pinsel und einige Bogen Reispapier, außerdem seine Brieftasche, die Kette mit Belials Siegelring und eine Glaskugel von der Größe eines Katzenkopfes…
    Jasons Träne! Es war ein Gedankenblitz, aber auch nicht mehr. Schon im nächsten Augenblick bemerkte David die Unterschiede: Diese Kugel hier war völlig klar, zeigte keine besonderen Reflexe, es konnte also nicht die sein, die mit Rebekka verschwunden…
    Eine vage Bewegung am Rande des Gesichtskreises riss ihn aus seinen Gedanken. Er löste die Augen von der Kugel und entdeckte in den Halbschatten am Fenster eine Gestalt. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Der große Mann schien völlig in den Anblick des nächtlichen Parks versunken, den der aufgehende Mond großzügig mit seinem silbernen Glanz überschüttete.
    »David Camden«, sagte Ba Xun mit einer Verneigung. Der Chinese stand dicht bei dem »Gast«, jederzeit bereit, sein rasiermesserscharfes wakizashi zu gebrauchen, sollte David sich ungebührlich benehmen.
    Der Mann am Fenster drehte sich langsam um. David hielt den Atem an. Endlich hatte er Gewissheit: Sein Feind lebte noch. Irgendwie musste er den Flammen in seinem Felsenpalast entkommen sein. Ja, es war Mitsuru Toyama, der ihn da aus kalten dunklen Augen leicht amüsiert musterte, derselbe Mann, den er seit Jahren tot geglaubt hatte.
    »Camden! Sehe ich etwa einen Anflug von Überraschung auf Ihrem Gesicht?«, begann er die Unterhaltung in perfektem Englisch, Seine Stimme klang belustigt. Mit einer knappen Geste bedeutete er Xun, von David abzulassen. Der Chinese – offenbar Toyamas Leibwächter – bezog mit dem Kurzschwert in der Hand neben der Schiebetür Posten.
    David ließ sich von der Überheblichkeit Toyamas nicht beeindrucken. Anders als bei der letzten Begegnung mit ihm verzichtete er auch darauf, sein Japanisch vorzuführen. Und falls Ba Xun kein Englisch verstand – umso besser, David antwortete in seiner Muttersprache: »Ich muss zugeben, dass ich Sie für tot hielt. Offen gestanden bin ich ein wenig enttäuscht, Sie nun doch wieder unter den Lebenden zu sehen.«
    »Das Leben ist voller Enttäuschungen, Camden, Sie haben mir heute allerdings eine freudige Überraschung bereitet, für die ich mich Ihnen gegenüber zu Dank verpflichtet fühle. Wollen Sie sich nicht setzen?« Toyama deutete auf ein zabuton neben dem Tisch. Dabei spiegelte sich die Flamme des Öllichts auf seinem goldenen Siegelring.
    Die Freundlichkeit seines Feindes war nur Maskerade, Sie spielten ein gefährliches Spiel. Jeder belauerte den anderen, David hoffte, Toyama würde früher oder später in seiner Überheblichkeit Fehler machen. Langsam ließ er sich auf das angebotene Sitzkissen sinken.
    Toyama begab sich seinerseits zum Tisch, Er hinkte leicht. Der Chef der Gesellschaft Schwarzer Drache nahm mit steifen Bewegungen auf dem zabuton David gegenüber Platz, Für einen langen Augenblick sahen sich die beiden Männer schweigend an. Auf Toyamas Gesicht lag immer noch das arrogante Lächeln.
    »Ich nehme an, Ihnen geht es weniger um mich als um diesen Ring da«, sagte David, mit dem Kinn zu dem Siegelring deutend, der samt Kette neben dem Öllämpchen und der Glaskugel lag.
    »Das haben Sie ganz richtig erkannt. Der Kreis der Dämmerung hat dreiundsechzig Jahre lang nach dem Ring gesucht. Natürlich wussten wir, dass Sie ihn besitzen, Camden, aber wir konnten ja nicht ahnen, dass Sie ihn um den Hals tragen. Ihr Engländer seid offenbar ein ziemlich abergläubisches Volk.«
    David nickte. Jetzt wurde ihm einiges klar. Deshalb haben sie mich nie direkt angegriffen, sondern immer nur meine

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