Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
musste sie auch schon seit über sechs Jahren verzichten. Findest du nicht, wir haben da einiges nachzuholen?«
»Du bist ein Schatz«, jubilierte Rebekka so laut, dass David hochfuhr, um sie mit einigen wohl gezielten Küssen auf den Mund zu beruhigen.
Mit Rebekka auf dem Schoß und ihren warmen Lippen auf Hals und Gesicht, fiel es ihm schwer, die praktischen Seiten seines Vorschlags herauszustellen. »Niemand könnte dir besser bei der Geburt deines Kindes helfen als die angesehenste Frauenärztin von Paris«, versuchte er sachlich zu argumentieren, doch ihre Nähe versetzte sein Inneres in Aufruhr. »Wo… Wo schon sämtliche Ministerfrauen und Industriellengattinnen die Skepsis ihrer Männer ignorieren, weil… weil sie für viel Geld nur von Marie Rosenbaum behandelt werden möchten. Und du kannst sogar umsonst… Was tust du da?«
»Ich könnte dich nie ignorieren, Liebster«, hauchte Rebekka in sein Ohr. »Das ist völlig unmöglich.«
»Und es macht Ihnen wirklich nichts aus, uns bis nach New York zu fahren, Mr Freudenhammer?«
Der hoch gewachsene aschblonde Gärtner schüttelte sein kantiges Haupt. »Der Vizepräsident vertraut seine Rosen sowieso nicht mir allein an. Für drei oder vier Tage wird er mich schon entbehren können. Und sollte mir die Fehlzeit vom Lohn abgezogen werden, macht das Ihr großzügiges Angebot allemal wieder wett.«
»Also gut. Wann, denken Sie, haben Sie mit Ihrem Arbeitgeber alles geregelt?«
»Geben Sie mir zwei Stunden Zeit. Dann können wir aufbrechen.«
Während der Abwesenheit Anton Freudenhammers telefonierte David vom nächsten Postamt aus mit einem Lokal in New York, Henry pflegte dort zu frühstücken, was David hin und wieder ausnutzte, wenn er den Time-Herausgeber dringend sprechen musste. Jetzt gab es noch einen anderen Grund, gerade diesen Anschluss zu wählen. Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit war Negromanus ihnen sehr nahe gekommen. Vielleicht hörte er inzwischen sogar alle Telefone in der Redaktion ab. Aber diesen Apparat würde er wohl noch nicht überwachen.
»Henry? Ich bin’s. Francis.«
»Wie geht’s dir?«
»Der Tipp mit McMillan war goldrichtig. Ich habe aufregende Neuigkeiten für dich. Nicht nur von Hank. Der Killer ist uns nämlich wieder auf den Fersen. Gestern Abend ist er in der Pension aufgekreuzt, in der Rebekka und ich abgestiegen waren.«
»Das gibt’s doch nicht! Wie seid ihr ihm entwischt?«
»Später, Henry. Wir kommen nach New York. Vermutlich morgen. Aber das Abingdon Guest House müssen wir meiden. Zu gefährlich! Kannst du mir einen Gefallen tun?«
Es entstand eine kurze Pause, dann sagte eine entschlossene Stimme: »Natürlich, Francis, worum geht’s?«
»Nun, eigentlich möchte ich dich sogar um mehrere Gefälligkeiten bitten. Du hast Brit doch hin und wieder in einen der illegalen Pubs begleitet?«
»Willst du mit mir über das Alkoholverbot der Regierung diskutieren?«
David musste lächeln. Er wechselte den Hörer von einem Ohr zum anderen und erwiderte: »Nein, ich interessiere mich eher für die Leute, die in den illegalen Schuppen verkehren.«
»Jetzt machst du mich aber neugierig.«
»Du kennst nicht zufällig jemanden, der für meine Frau und mich einen Satz neuer Papiere besorgen könnte?«
Wieder trat eine Pause ein. »Habt ihr schon eure neuen Namen ausgesucht?«
Zwei Stunden später saßen David und Rebekka neben Anton Freudenhammer auf der Vorderbank eines Kleinlasters, der sich Richtung Baltimore stadtauswärts bewegte. Das A in der Typenbezeichnung des Fords schien für »Arbeitstier« zu stehen. Die Fahrt in dem Wagen war alles andere als komfortabel, aber mit Ausnahme einer Reifenpanne und gelegentlicher Reinigungsarbeiten an den Zündkerzen lief alles hervorragend.
Am späten Nachmittag des darauf folgenden Tages traf der Ford A in New York ein. David entschied sich für ein kleines Hotel in den Columbia Heights, nahe der Brooklyn Bridge. Hier konnte er ein geräumiges Zimmer mieten, das sogar über einen kleinen Schreibtisch verfügte. Durch das Fenster war ein Teil der gewaltigen Hängebrücke zu sehen, die majestätisch den East River überspannte. Um acht Uhr abends trafen er, Rebekka und Henry Luce sich im Harlemer Cotton Club.
»Die Öffentlichkeit ist manchmal die beste Tarnung. Hier wird uns so schnell niemand vermuten«, begründete Henry seine ausgefallene Wahl.
David nickte. »Für ein konspiratives Treffen ist der Club wie geschaffen: Die ganze Prominenz der Stadt kommt
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