Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
hierher, um die besten Jazzmusiker zu hören.«
Henry grinste verschlagen. »Letztens ist Duke Ellington hier aufgetreten. Jeder im Cotton Club hält sich selbst für den Größten – das ideale Etablissement, um in der Masse unterzutauchen.«
Dennoch wäre David mit einem verschwiegeneren Ort glücklicher gewesen. Und mit einem ruhigeren allemal. Unter den Klängen von Trompeten und Posaunen war es nicht so einfach, ein geheimes Kommandounternehmen zu besprechen.
Dennoch gelang es David im Laufe des Abends, seine zwei Hauptanliegen vorzubringen: erstens die Aufdeckung von Kelippoths Machenschaften im Zeitungswesen und zweitens seine Fluchtpläne nach Europa. Was die Beschaffung »neuer« Papiere betraf, zeigte sich Henry zuversichtlich. In ein paar Tagen sei die Angelegenheit vom Tisch. Gleichsam als Bestätigung legte er David einen Presseausweis vor, der ihn unter dem Namen Francois Cournot als Mitarbeiter des Time-Magazins bestätigte. Eine solche Legitimation konnte mehr Türen öffnen als der beste Pass.
»Ich habe mir erlaubt auch schon ein Ticket nach Frankreich für euch zu reservieren«, sagte Henry lächelnd. »Morgen in einer Woche könnt ihr den Vereinigten Staaten Lebewohl sagen.«
»Danke, Henry. Ich hoffe nur, bis dahin kommt die Kampagne gegen den Ku-Klux-Klan in Gang.«
»Schreib du nur deinen Artikel für Time. Ich kümmere mich um Ochs, Hank McMillan und ein paar andere Bekannte. Wenn sie erst alle wissen, was da im Busch ist, machen sie bestimmt mit. In einem Monat kriegt Kelippoth keinen Fuß mehr auf den Boden.«
»Du ahnst gar nicht, wie mich das beruhigt. Noch mal: vielen Dank.«
Wenn Henry Recht hatte, würde bald eine Flut kritischer Artikel das Land überschwemmen, jeder mit einer deutlichen Warnung vor einer Bedrohung der Pressefreiheit. Empörung über heimliche Übernahmen von Zeitungen und verdeckte Beteiligungen an renommierten Pressehäusern spräche aus den Beiträgen und auffällig oft würde dabei der Name eines gewissen Lucius Kelippoth genannt werden, zum Beispiel mit dem Hinweis, Kelippoth bekleide einen hohen Rang im Ku-Klux-Klan. Wollten denn die amerikanischen Bürger wirklich, dass eine Gruppe von Kapuzenmännern die Meinungsbildung im ganzen Land kontrollierte? David kannte die Tricks seiner Berufskollegen nur zu genau. Hier eine indirekte Rede – »Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen ist zu hören, Kelippoth habe…« –, dort eine offiziöse Verlautbarung – »Ein Mitarbeiter des Weißen Hauses hat gegenüber unserem Reporter geäußert…« – und gelegentlich auch ein gut positioniertes Dementi – »Ein Sprecher des Ku-Klux-Klans sagte, jegliche Anschuldigungen geheime Übernahmeverhandlungen betreffend seien vollständig aus der Luft gegriffen« – Mit einer solchen Kampagne ließ sich schnell ein Gegner ruinieren, ohne dass man die Presse dafür verantwortlich machen konnte, rein formaljuristisch gesehen.
Normalerweise verabscheute David diese Art von Journalismus, aber hier sah er sich einem mächtigen Feind gegenüber, dem nur mit List beizukommen war. Er musste Kelippoth und mit ihm dem Kreis der Dämmerung einen Schlag versetzen, von dem sich die Organisation nicht so schnell erholen würde. Natürlich war sich David über eines im Klaren: Irgendwann würde er in die Vereinigten Staaten zurückkehren, diesen Kelippoth aufspüren und ihm endgültig das Handwerk legen müssen – auf welche Weise auch immer.
Zunächst stand für ihn jedoch die Sicherheit seiner Familie im Vordergrund. In Washington hatte Negromanus ihn beinahe überrascht. Nur dank des mutigen Einsatzes der Mangelkramer-Zwillinge war David mit seiner Frau entkommen. Hoffentlich würde sich der gewissenlose Schemen dafür nicht früher oder später an den Schwestern rächen. Auf jeden Fall – die unangenehme Erkenntnis ließ sich nicht leugnen – brachte auch diese Flucht nur einen Aufschub. Noch immer schlich der dunkle Jäger da draußen herum. Eines Tages musste es zu einer Auseinandersetzung kommen, aus der nur einer lebend hervorgehen konnte.
Konfrontation
David saß wie die Spinne im Netz. Eine Woche lang zog er von dem kleinen Zimmer in Brooklyn aus unsichtbare Fäden. Er vollendete seinen Artikel über den Ku-Klux-Klan. Nach Art des Time-Magazins verwob er dabei Fakten mit kritischen Fragestellungen, die jedem aufmerksamen Leser eine klare Stellungnahme abverlangten – zumindest für sich persönlich. Die New York Times brachte einen großen
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