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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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eines größeren Plans? Ich wünschte nur, Gott würde sich mir gegenüber einmal etwas deutlicher offenbaren.«
    Nun war es Marie, die Davids Arm drückte und weise erwiderte: »Vielleicht liegt es daran, dass du ihm vorzuschreiben versuchst, wie er sich zu äußern hat. Kennst du nicht die Worte Jesajas: ›Soll denn der Töpfer dem Tone gleich geachtet werden? Sollte das Werk von seinem Meister sprechen: Er hat mich nicht gemacht!? Und spricht das Gebilde von seinem Bildner: Er versteht es nicht!‹«
    David blickte seine Schwiegermutter verblüfft an. Sie hatte Recht! Was nützte es, wenn er verlorenem Geld nachtrauerte und darüber seine Bestimmung vergaß? Dem Kreis der Dämmerung würde das doch nur nützen! Nein, er musste weiterkämpfen. Rebekka hatte es schon ganz richtig auf den Punkt gebracht: Du warst nie allein. Immer hat uns jemand geholfen.
    Er lächelte, wenn auch etwas unsicher. »Ich bin froh, dass ich Menschen wie euch habe. Die Wahrheit ist manchmal eine bittere Medizin…«
    Marie lachte. »… und macht am Ende doch gesund. Ich habe eine Idee, Kinder. Etwas, was euch ein wenig aufmuntern könnte. Eine meiner Patientinnen ist Schauspielerin. Sie hat mir Karten für die Uraufführung von Jean Giraudoux’ ›Amphitryon 38‹ angeboten. Die Premiere findet am achten statt, also übermorgen. Wie wär’s? Ich lade euch ein.«
    David hätte an diesem Tag lieber an der Feierstunde anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde an Albert Einstein teilgenommen. Aber selbst wenn ihnen sein Time-Ausweis das Tor der Sorbonne öffnete, zweifelte er doch daran, dass Rebekka diesem Ereignis den gleichen Stellenwert einräumen würde wie einem Giraudoux-Drama. Wenn sich Einstein vielleicht überreden ließe, auf seiner Violine ein Ständchen zu geben, aber so…
    Er nickte ergeben. »Gute Idee. Das wird uns ablenken.«
     
     
    Am Abend des 8. November erduldete David einmal mehr einen Kunstgenuss, dem seine Frau ergriffen ihre ganze Aufmerksamkeit schenkte. Wenigstens durfte er während der Aufführung Rebekkas vor Aufregung feuchte Hand halten.
    Marie lud anschließend ins Belle Epoque, einem netten Restaurant in der Nähe des Theaters. Die Entenbrust dort entschädigte David ein wenig für das erlittene Ungemach. Kurz vor Mitternacht kehrten sie dann zum Quai d’Orleans zurück.
    Müde verabschiedete man sich in die Nacht. Sogar David war auf eine schwer zu beschreibende Weise zufrieden. Marie hatte Ablenkung versprochen, und die war ihm nicht verwehrt geblieben.
    Aneinander gekuschelt dämmerten David und Rebekka dem Schlaf entgegen. Sie nickte ein wenig früher ein als er. Plötzlich glaubte er eine Bewegung in ihrem Leib zu spüren. Das Kind! Davids Herz schlug unwillkürlich schneller. Rebekka befand sich jetzt im fünften Monat. Laut Marie waren solche Lebenszeichen von nun an täglich zu erwarten. Sanft tastete David nach Rebekkas Bauch. Da! Wieder dieses leise Klopfen unter dem seidenen Nachthemd, als wollte der Winzling ihm zurufen: Hier bin ich, Papa, warte nur, bis ich komme!
    Vielleicht ist der oder die Kleine ja ein Theaterliebhaber, grübelte David. Er atmete den betörenden Duft von Rebekkas vollem Haar. Zumindest scheint der Stöpsel mich zu mögen. Warum sonst meldet er sich ausgerechnet jetzt, wo Bekka schläft und nur ich ihn bemerken kann?
    David erwachte von einem Geräusch. Im Zimmer war es dunkel. Nur durch einen Spalt im Vorhang fiel ein schmaler Streifen Mondlicht herein, der auf einen Spiegel im Kleiderschrank traf und sich von dort wie ein schimmernder Nebel im Raum verbreitete. David fuhr sich mit den Fingern durch das Haar. Hatte er nur geträumt?
    Er lauschte, aber nichts war zu hören, nur Rebekkas leises Atmen zu seiner Linken. David verspürte starken Durst. Die Entenbrust war gut gewürzt gewesen. Vorsichtig schlüpfte er unter der Bettdecke hervor. Im Zimmer war es empfindlich kühl. Vielleicht würde der kommende Winter genauso hart werden wie der letzte. David stocherte im Dunkeln nach seinen Hausschuhen und machte sich auf den Weg zur Küche.
    Maries Wohnung besaß einen Flur, der eher einem rechteckigen großen Raum glich, von dem die eigentlichen Zimmer abgingen. David überquerte die Diele und öffnete die Küchentür. Hier wie auch in der angrenzenden Speisekammer gab es keine Vorhänge, seine an die Dunkelheit gewöhnten Augen fanden also genügend Licht zur Orientierung. Inzwischen kannte er sich in Maries Utopia gut genug aus, um gleich den irdenen Krug zu

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