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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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gesellschaftlichen Schichten behandelte, nicht wenige sogar kostenlos. Mme. Rosenbaum war noch immer jene resolute und zugleich einfühlsame Frau, die dem Schützen David Milton einmal das Leben gerettet hatte. Demselben Mann also, den sie nun ihren »Sohn« nannte.
    Marie bestand darauf, dass die Kinder drei Zimmer im ersten Stock ihres »Utopia« bezogen, so nannte sie ihr Reich, in dem soziale Schranken nichts und die Menschen alles galten.
    Nach einigen Tagen versuchte David ihr schonend beizubringen, dass er so schnell wie möglich wieder auf eigenen Füßen stehen wollte. Er war jetzt Francois Cournot, ein aus Quebec ins Land der Väter zurückgekehrter Kanadier mit seiner Frau Minette. Aus Paris würde er für Time, vielleicht auch für andere Blätter berichten. Unter dem Deckmantel dieser Legende wollte er seinem Kind einen sicheren Start ins Leben ermöglichen. Vielleicht würden dies für Jahrzehnte seine einzigen friedlichen Tage sein.
    Während der Kriegsjahre in der Picardie und in Flandern hatte sich David einen französischen Grundwortschatz angeeignet, den er später mit Rebekkas Hilfe vervollständigen konnte. Er war noch weit davon entfernt, die Sprache fließend zu beherrschen, aber mit seiner schnellen Auffassungsgabe lernte er täglich hinzu.
    Marie und Rebekka verbrachten viel Zeit miteinander. Manchmal schien es David, als wollten sie die Jahre der Trennung durch umso intensiveren Kontakt innerhalb weniger Tage wieder wettmachen. Nicht selten hallte ihr Lachen durch das Haus oder sie alberten wie zwei Schwestern herum. Kaum einer wäre auf die Idee gekommen, in den beiden Mutter und Tochter zu sehen.
    David verstand sie sehr gut. Wenn doch nur seine eigenen Eltern noch lebten! Rebekkas Ablenkung gab ihm Gelegenheit zu neuen Nachforschungen. Briton Haddens letzte Worte waren wie ein geheimnisvolles Orakel, das viele Deutungen zuließ. Aber welche davon entsprach der Wahrheit?
    Um Ruhe zum Nachdenken und Lesen zu finden, zog sich David gelegentlich in ein kleines Café zurück, das in dem Gassengewirr am südlichen Seine-Ufer unterhalb von Notre-Dame lag. Zwar herrschte auch hier keine wirkliche Stille, aber die Gespräche der Gäste störten ihn nicht. Mit Ausnahme des Obers, eines kleinen dunkelhaarigen schnauzbärtigen Mannes mit fleckiger Schürze, sprach ihn niemand an.
    Aus New York kamen gute Nachrichten. Die Kampagne gegen Lucius Kelippoths Übernahmeaktion war zu einem Selbstläufer geworden. Landauf, landab diskutierte man über diese graue Eminenz und seine mögliche Verbindung zum Ku-Klux-Klan. Auch in Europa musste Lord Belial seine willfährigen Helfer haben. Diese zu finden war nun Davids nächstes Ziel.
    Zunächst konzentrierte er sich auf den Palatin, jenen geschichtsträchtigen Hügel Roms, den Brit auf dem Sterbebett erwähnt hatte. Er wälzte Bücher über römische Geschichte, sprach mit katholischen Würdenträgern und besuchte Sammlungen wie den Louvre und die Archives Nationales. Manchmal türmten sich in »seinem Café« die Bücher auf dem runden Tischchen und benachbarten Stühlen und der Wirt beschwerte sich temperamentvoll, weil er nirgends einen Platz für die bestellte Mokkatasse finden konnte.
    So verstrichen die Tage und alle Anstrengungen blieben erfolglos. David entdeckte keinen einzigen brauchbaren Hinweis. Zwischen dem Palatin und dem Kreis der Dämmerung schien es nicht die geringste Verbindung zu geben.
    Dann, am 25. Oktober 1929, geschah das Unfassbare. An der New Yorker Börse brachen die Kurse ein wie nie zuvor. Schnell machte das Wort vom Schwarzen Freitag die Runde. In Europa erreichte die beunruhigende Nachricht viele erst am Wochenende. Als die Börse am Montag ihre Pforten wieder öffnete, setzte sich der rapide Kursverfall fort. Innerhalb von sechs Tagen schien die Welt in den wirtschaftlichen Ruin gerutscht zu sein.
    Die Wirtschaft hatte sich durch eine ausufernde Kreditaufnahme und den damit finanzierten Aktienboom überhitzt. Auf mahnende Stimmen hatte – wie so oft in der Geschichte – niemand hören wollen. Sie passten nicht zu der allgemeinen Aufbruchsstimmung. Doch nun drängten sich die Massen vor verschlossenen Banken. Keiner wollte wahrhaben, was längst Gewissheit war: Die Ersparnisse von vielen Jahren waren verloren.
    Täglich gingen nun Firmen zugrunde, andere konnten sich nur durch Radikalkuren retten, die darin gipfelten, dass tausende auf die Straße gesetzt wurden. Bald zählte die Welt dreißig Millionen Arbeitslose.
    Die

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