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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Murrays selbstredend das Haus zur Verfügung stellen, solange sie es benötigten, wiederholte Takeo Yonai beinahe jede Viertelstunde. Er und Yachiyoko würden mit ihrem Personal währenddessen in das Anwesen des Schwagers ziehen, der ganz in der Nähe wohne. Alles kein Problem. Zunächst einmal wolle man am Abend aber einen Festschmaus einnehmen. Yonai kenne da ein gemütliches Restaurant…
    An dieser Stelle unterbrach David seinen Gastgeber.
    Im Land der aufgehenden Sonne war es unüblich, Gäste in den eigenen vier Wänden zu bewirten. Oftmals fehlte hierzu schlicht der Platz. In jedem Fall zählte das Zuhause zu den intimsten Rückzugsgebieten eines Japaners. Deshalb kam er seiner Gastgeberrolle lieber in einem Restaurant nach. David war sich dieses Brauchs durchaus bewusst, aber da Takeo Yonai ihn ohnehin schon in sein Haus aufgenommen hatte, wagte er darüber hinaus noch die Bitte um ein stilles Abendessen in der Verschwiegenheit ihrer Unterkunft.
    »Aber ich verdanke Ihnen mein Leben, Murray-san!«, protestierte Yonai.
    »Ich glaube«, erwiderte David müde, »Ihr Leben ist mehr wert als eine Mahlzeit aus rohem Fisch.«
    Yonai gab sich gekränkt. »Bei einer einzigen Beköstigung hätte ich es auch nicht belassen.«
    »Ich weiß das sehr zu schätzen, mein Freund, aber ich habe heute noch eine Menge zu tun. Ich will gleich nach Koji-machi fahren und mein Postfach leeren. Außerdem steckt mir der plötzliche Tod von Yoshiharu Ito noch in den Knochen. Ich muss unbedingt herausfinden, ob die feierliche Verbrennung des Leichnams bereits erfolgt ist und wann die Urnenbeisetzung stattfinden wird. Mir fehlt einfach die Muße…«
    Yonai wusste um die enge Freundschaft zwischen Francis Murray – also David – und dem Grafen Ito. Daher änderte er nun seine Taktik. »Dann werde ich dafür sorgen, dass Sie heute Abend im Haus speisen können, und wenn Sie möchten, fahre ich für Sie nach Koji-machi und hole Ihre Post ab. Für die anderen Erkundigungen steht Ihnen selbstverständlich mein Telefon zur Verfügung.«
    David seufzte. Er würde Yonai beleidigen, wenn er sich jetzt quer stellte. Während früherer Reisen Davids hatte immer Yoshi sein Postfach gelehrt. Vielleicht war es sogar besser, nicht ausgerechnet jetzt persönlich in dem kleinen Postamt aufzukreuzen. Die Spione der Amur-Gesellschaft würden es vielleicht unter Beobachtung halten.
    »Also gut«, willigte David ein. »Sie kümmern sich um meine Post und ich telefoniere mit Yoshis Verwandtschaft.« In knappen Worten fasste er für Yonai den Stand der Dinge zusammen: Er habe nun doch Toyamas Schlupfwinkel aufgespürt und den Kopf des Schwarzen Drachen zur Strecke gebracht; dennoch müsse er um seine und um Rebekkas Sicherheit fürchten; Yonai solle auf keinen Fall das Postamt in Koji-machi betreten, wenn er nur den leisesten Verdacht hege, dass es observiert werde.
    Yonai nickte diensteifrig. In Kidos Geheimdienst habe er gelernt, wie man derartige Situationen meistere. Er werde sich vorsehen.
    »Noch etwas: Sollten Sie eine schwarz gekleidete Gestalt mit Schlapphut sehen, dann rufen Sie mich bitte sofort an.«
    Yonai stutzte. »Sie denken an jemand Bestimmten? Einen Japaner oder einen Europäer?«
    »Weder noch, Yonai-san. Eher an ein Ungeheuer.«
    Obwohl die Yonais ein eigenes Telefon besaßen, suchte David ein Postamt in der Nähe des Hauses auf. Er hatte zwar keine Ahnung, ob Toyamas Leute oder gar Negromanus einen Anruf zurückverfolgen konnten, aber er wollte kein Risiko eingehen. Zu viele Menschen, die ihm einmal geholfen hatten, waren allein deshalb ermordet worden, Lord Belial duldete keine Gegenspieler.
    Die Neuigkeiten aus dem Ito-Clan waren deprimierend. Die Polizei habe den Leichnam Yoshis schon nach einem Tag zur Bestattung freigegeben, berichtete ein Cousin des Hingeschiedenen am Telefon. Für sie handele es sich bei dem Fall eindeutig um Selbstmord zur Ehrenrettung. Welche unehrenhafte Tat Yoshi allerdings begangen haben sollte, wusste niemand. Jedenfalls hatte man die sterblichen Überreste von Davids Freund nach der traditionellen fünfzigstündigen Totenwache eingeäschert.
    David schloss die Augen und kämpfte gegen die Tränen an. Nicht einmal diesen letzten Dienst hatte er seinem besten Freund erweisen können. Er lehnte an der Rückwand einer stickigen Kabine, die von der Schalterhalle durch eine Glastür abgetrennt war. Am liebsten hätte er den Hörer fallen lassen und wäre ins Freie gestürmt – Yoshis tragischer Tod schnürte

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