Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
todbringenden Schemen, das David keine Ruhe finden ließ. Immer wieder zogen die Bilder des Alptraumes auf der Taifun an ihm vorüber. Warum hatte ihn Negromanus nicht angeblickt? Weshalb zog er einfach an ihm vorbei? War dieses ganze Traumerlebnis nur ein Mummenschanz seines geplagten Geistes? Oder steckte doch mehr dahinter?
    Während er sich auf seinem futon hin und her warf, feilte er am Schlachtplan für den nächsten Tag. Er durfte die Zeremonie nicht mit dem Anblick eines Langschwertes stören. Abgesehen davon war das Tragen eines solchen in der Öffentlichkeit ohnehin verboten. Das katana musste also zu Hause bleiben. David gedachte, der Feier in einem weißen Kimono beizuwohnen, wie es der Tradition entsprach. Takeo Yonais Kammerdiener hatte einige Mühe gehabt, ein für den unjapanisch großen Murray-san passendes Trauergewand zu finden. Eine solche Bekleidung war ungewöhnlich für einen Europäer, aber Yoshis Familie wusste um Davids enge Bindung an Japan. Man würde seine Ausstattung als Geste der Ehrerbietung gegenüber einem alten Freund begreifen. Dass sich ein rasiermesserscharfes wakizashi samt Lackscheide trefflich unter dem weiten Gewand verbergen ließ, hielt David für einen nützlichen Nebeneffekt.
    Nur mit dem Kurzschwert gegen einen so mächtigen Gegner wie Negromanus antreten zu müssen, war eine nicht eben angenehme Vorstellung. Doch zuletzt würde wohl weniger die größere Reichweite über den Erfolg oder Misserfolg des Jahrhundertkinds entscheiden als vielmehr dessen außergewöhnliche Gaben. Mit dieser Erklärung machte sich David wieder Mut. Er war ein Sekundenprophet, konnte sich bewegende Gegenstände oder Lebewesen durch eine Dehnung der Zeit verlangsamen oder ihnen einfach eine neue Farbe geben. Ein Gefühl des Zweifels den praktischen Nutzen seiner Begabungen betreffend versuchte David wohlweislich zu ignorieren.
    Die Trauerfeier sollte am Nachmittag um drei Uhr beginnen. Der dafür vorgesehene Tempel befand sich im Stadtteil Taitoku. David machte sich bereits um zwölf auf den Weg. Er wollte der erste der Trauergäste sein.
    Abgesehen von einem gemeinsamen Morgenmahl mit den Yonais waren David und Rebekka den ganzen Vormittag über für sich geblieben. David brauchte die Zeit, um seiner besorgten Frau Zuversicht und Mut einzuflößen. Nicht einmal vor dem Betreten von Toyamas Felsenpalast hatte sie solche Angst um ihn gehabt wie an diesem Morgen. Je näher die Stunde des Abschieds rückte, desto fester schien Rebekka an ihm zu hängen. Nur unter massivem Einsatz von Küssen und guten Worten konnte er sich schließlich von ihr lösen.
    Der Weg zum Tempel führte quer durch die Stadt.
    Yonais Kammerdiener hatte auf Davids Bitte hin ein ungewöhnliches Verkehrsmittel besorgt: ein Schiff. So würde Negromanus nicht ohne weiteres die Spur bis zu Rebekka zurückverfolgen können. Diese Vorsichtsmaßnahme fußte auf einem unbestimmten Gefühl. Jedenfalls wollte David kein Risiko eingehen.
    Der Seedrache erwartete ihn an einer der Brücken, die zum Kita-Shinagawa-Viertel hinüberführten. Die zweiköpfige Besatzung des Kajütbootes kam David wie die asiatische Antwort auf das Komikerpaar Stan und Ollie vor. Allerdings führte hier der »Doofe« eindeutig das Kommando, während dem »Dicken« die Knochenarbeit oblag.
    Das Schiff tuckerte einen schmalen Kanal hinab, der in den Hafen von Tokyo mündete. Hier schlug der Seedrache zunächst einen nördlichen Kurs ein, bis er die Mündung des Sumida erreichte. Auf dem Fluss ging es dann weiter in nordöstlicher Richtung. Im Viertel Tobu-Asakusa gab es eine Anlegestelle der öffentlichen Fährlinie, die in unmittelbarer Nähe zum Tempel lag. David beglich den Fahrpreis und bat den Kapitän, ihn gegen fünf Uhr wieder aufzunehmen. Mit einem kleinen Vorschuss überzeugte er ihn zudem, notfalls bis sechs zu warten. Sei er dann noch nicht gekommen, könnten die Männer mit der Anzahlung tun, was immer ihnen beliebte. Während das ungleiche Paar wortreich über die Verwendung des Geldes zu debattieren begann, machte sich David auf den Weg zum Tempel.
    Das Areal des Heiligtums betrat man durch ein rotes Tor. Neben diesem schlichten Holztor standen zwei Tempelwächter, Furcht erregende Statuen, deren Anblick böse Geister abschrecken sollte, aber auch so manch ängstliches Kleinkind in die Arme der Mutter fliehen ließ. David schritt langsam über einen mit quadratischen Steinen ausgelegten Pfad. Der Park bot ein friedliches Bild – kiesbestreute

Weitere Kostenlose Bücher