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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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später auf dessen Einhaltung pochen. Weist man die Scheinwirklichkeit jedoch als solche zurück, dann machen sie einem nur umso größere Scherereien. Nein, der Heilige Vater wusste schon, wem er das Amt des Staatssekretärs anvertraute. Bei mir weiß er diesen Schlüssel in guten Händen.«
    »›Was nützt ein goldener Schlüssel, wenn er die Tür zur Wahrheit nicht öffnet?‹«
    »Sie sind ein Träumer, M. Cournot, oder wenn es Ihnen lieber ist, heiße ich Sie einen Idealisten. Mit Ihrer Einstellung können Sie die Welt niemals ändern.«
    »Der Träumer, von dem meine letzten Worte stammten, war Aurelius Augustinus, vielleicht der von den Katholiken am meisten verehrte Kirchenvater. Aber ich will Sie nicht brüskieren, Eminenz. Ich wollte nur Ihren Blick für einige beunruhigende Entwicklungen schärfen, die Ihnen zweifelsohne auch selbst schon aufgefallen sind.«
    In Pacellis dunklen Augen funkelte ein gefährliches Feuer, aber sein Gesicht blieb unbewegt, als er antwortete: »Vielen Dank für die Lektion, M. Cournot, aber Sie erzählen mir da tatsächlich nichts Neues. Leider muss ich mich nun wieder meinen anderen Aufgaben zuwenden. Lassen Sie mich unserem anregenden Disput nur noch einen letzten Sinnspruch hinzufügen. Claudius schrieb in seiner Apologie des Sokrates: ›Alle Menschen haben eine Ahnung und Idee der Wahrheit in sich.‹ Ich denke, ich werde auch zukünftig mein Amt mit Vorsicht und Besonnenheit ganz gut ohne Ihre Hilfe wahrnehmen können.«
    Der Kardinal nahm das goldene Glöckchen in die rechte Hand – die jäh erstarrte, noch ehe sie nach dem Sekretär hatte läuten können. Diese Lähmung trat infolge eines entsetzten Ausrufes ein, den ein ausgesprochen betroffen wirkender M. Cournot von sich gegeben hatte.
    »Was ist denn mit Ihrer Hand passiert, Eminenz? Sie bluten ja!«
    Pacelli blickte auf den weißen Handschuh und zeigte sich bestürzt. An den Fingern der Rechten breitete sich schnell ein blutroter Fleck aus. Erschrocken ließ er das Glöckchen auf den Tisch klimpern und begann hektisch an den Baumwollfingern herumzuzupfen. Vor lauter Aufregung bekam er den rot durchtränkten Handschuh nicht herunter. Schließlich konnte er sich doch in Panik der lästig gewordenen zweiten Haut entledigen. Fieberhaft drehte er die Hand, suchte nach einer klaffenden blutenden Wunde, fand aber nichts.
    David starrte ebenfalls auf Pacellis Finger, aber aus einem anderen Grund. Da war kein Siegelring, kein verräterisches Zeichen, das auf eine Verbindung zum Kreis der Dämmerung hingewiesen hätte! Alles, was er an der Hand des Kardinals sah, war rote, nässende Haut und eine eitrige Schwellung des Ringfingers.
    Also hatte ihm sein Gefühl die Wahrheit gesagt: Pacelli gehörte nicht zu Lord Belials Logenbrüdern. Wenigstens das hatte der kleine Farbentrick verraten.
    Der Kardinal gewann erstaunlich schnell seine Fassung zurück und läutete heftig mit dem Goldglöckchen.
    David gab sich zerknirscht. »Sollte ich Sie erschreckt haben, bitte ich vielmals um Entschuldigung, Eminenz.«
    »Schon gut«, knurrte Pacelli ungeduldig. Er schien sich nach Beistand zu sehnen. Prompt öffnete sich die Tür zum Nebenzimmer und Robert Leiber erschien. »M. Cournot hat soeben sein Interview beendet«, sagte Pacelli, jetzt wieder ganz Kirchenfürst.
    David empfand es als wohltuend, einem weiteren Angebot zum Ringkuss zu entkommen. Er deutete eine Verneigung an und sagte ganz ohne Häme: »Was den guten Claudius betrifft, wie übrigens jeden anderen Denker, sollte man ihn nicht nur korrekt, sondern auch vollständig zitieren, Eminenz. Er sagte nämlich noch: ›Ich denke, die Wahrheit muss durch alle Menschen nicht gewinnen können, aber ein jeder Mensch durch die Wahrheit.‹ Gewinnen kann nur, wer bereit ist, von anderen zu empfangen. Auch ich danke Ihnen für das anregende Gespräch und möchte meinen eingangs erwähnten Segen in Erinnerung bringen. Leben Sie wohl.«
    Kaum war die Tür zu Pacellis Arbeitszimmer geschlossen, da fragte Robert Leiber auch schon: »Ist es nicht so gelaufen, wie Sie es sich erhofft hatten?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »M. Cournot, ich arbeite seit Jahren mit Seiner Eminenz zusammen und kenne sein Mienenspiel.«
    David dachte kurz über die Frage nach. Er war sich selbst nicht ganz im Klaren, was er von dem Gespräch halten sollte. Hätte Pacelli einen von Lord Belials Siegelringen getragen, wüsste er nun, woran er war. Er hätte die weitere Karriere des Mannes sabotieren können, wie

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