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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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es ihm bei Lucius Kelippoth gelungen war. Aber nun? Der Kardinal hatte wenig Bereitschaft erkennen lassen, solchen beunruhigenden Entwicklungen, wie sie sich in Italien und auch in Deutschland abzeichneten, mit dem ganzen Einfluss der Kirche entgegenzutreten. Mit dieser Haltung würde er, ob nun arglos oder nicht, Lord Belials Zwecken dienen – eine bittere Erkenntnis für David.
    Er zuckte müde mit den Schultern. »Ich glaube, es hätte besser laufen können.«
    Leiber ahnte natürlich nicht, was hinter der dicken Tür zu Pacellis Arbeitszimmer wirklich vorgegangen war. Er tippte wohl auf eine dem stürmischen Wetter entsprechende Stimmungslage seines Vorgesetzten und legte David tröstend die Hand auf die Schulter.
    »Seine Eminenz arbeitet sehr viel. Normalerweise scheut der Kardinal Reporter wie der Teufel das Weihwasser. Ich hatte mich eh schon gewundert, dass er Sie überhaupt empfängt. Wenn er also weniger entgegenkommend war als von Ihnen erwartet, zeigen Sie sich in Ihrem Artikel bitte trotzdem nachsichtig mit ihm.«
    David zwang sich zu einem Lächeln. »Keine Sorge, ich werde mich eng an die Fakten halten.«
    »Gut. Dann kommen Sie. Ich bringe Sie wieder aus diesem Labyrinth hinaus.«
    Leiber öffnete die exorbitante Tür zum Flur und ließ David den Vortritt. Als der auf den Gang hinaustrat, sah er zu seiner Rechten eine Bewegung. Unwillkürlich wandte er den Kopf. Vor der benachbarten Tür, die unmittelbar in Pacellis Arbeitszimmer führen musste, stand ein Mann in taubengrauem Anzug. Unter dem Arm hielt er eine Akte. Als Davids Blick auf die Hand des Fremden fiel, erstarrte er.
    In diesem Moment öffnete sich die Tür des Arbeitszimmers und für einen winzigen Moment sahen sich David und der Kardinal in die Augen. Pacelli wirkte erschrocken. Schnell dirigierte er den Besucher in sein Zimmer und schloss wieder die Tür.
    »M. Cournot?« Die Stimme Leibers drang wie aus der Ferne zu David.
    »Was?«
    »Wir müssen hier entlang, bitte kommen Sie.«
    David setzte sich langsam in Bewegung, sein Blick hing noch an der Tür des Arbeitszimmers. »Wer war dieser Mann, den Seine Eminenz da eben empfangen hat?«
    Leiber lächelte verschmitzt. »Bedaure, M. Cournot, aber das darf ich Ihnen wirklich nicht verraten.«
    Der verwirrende Bau aus Gängen, Treppen und Hallen begann vor Davids Augen zu verschwimmen. Er folgte nur noch dem Geräusch von Leibers schnellen Schritten, während sein Sinn fieberhaft die eben erlebte Szene zu rekapitulieren versuchte. Alles war so schnell gegangen. Der Fremde vor dem Arbeitszimmer des Kardinals war schlank und mittelgroß gewesen – auf jeden Fall kleiner als Pacelli. Sein graues, streng nach hinten gekämmtes Haar hatte nur noch wenige dunkle Stellen aufgewiesen. Am Nacken war es anrasiert gewesen. Die gerade Haltung und die etwas steifen Bewegungen hatten an einen Soldaten erinnert. Beim Eintreten des älteren Mannes in Pacellis Zimmer hatte David sogar kurz dessen Profil sehen können – mit einer langen Nase und einem schmalen Oberlippenbart –, aber trotzdem würde es so gut wie unmöglich sein, jemanden anhand dieser wenigen Anhaltspunkte wieder zu erkennen. Während Davids Schritte durch die Gänge hallten, versuchte er sich das klarzumachen, aber sein Gefühl weigerte sich, der Vernunft das Feld zu räumen. Vielleicht fiel es ihm auch so schwer, die flüchtige Begegnung zu vergessen, weil er die Hand des Mannes gesehen hatte. Und den Ring an seinem Mittelfinger.
     
     
    Als David endlich wieder allein war, lehnte er minutenlang mit geschlossenen Augen an einer Säule und ordnete seine Gedanken. Er befand sich unter den Kolonnaden, am Rande der Piazza di San Pietro. Noch immer tummelten sich hunderte von Schaulustigen auf dem Petersplatz und erschwerten ihm mit ihrem Lärm das Nachdenken.
    Er schüttelte verzweifelt den Kopf. Die Bilder aus seinem Gedächtnis waren einfach zu unscharf! Je länger er sich das Hirn zermarterte, desto mehr schien die Gestalt des Fremden zu verschwimmen. Nur das Bild der Hand blieb klar. Aus etwa drei Metern Entfernung hatte David einen schweren Ring erkennen können. Der Anblick des Schmuckstückes hatte ihm einen regelrechten Stromschlag versetzt. Er hätte schwören können, einen von Lord Belials zwölf Siegelringen zu sehen. Später, auf dem Weg hinaus, war er sich dann schon nicht mehr so sicher gewesen. Eine knappe Stunde zuvor, als der Kardinal ihm die Hand zum Kuss gereicht hatte, war er ja einem ähnlich unsinnigen Verdacht

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