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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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erlegen.
    Offenbar lagen seine Nerven blank und gaukelten ihm Trugbilder vor. Kein Wunder, Pacellis erschreckende Kommentarlosigkeit gegenüber den menschenverachtenden Zielen der Nationalsozialisten hatte ihn innerlich aufgewühlt. Trotz seines zerrütteten Verhältnisses zur Kirche war diese für ihn bisher, zumindest vom Anspruch her, eine moralische Institution gewesen. Enttäuscht musste er sich nun eingestehen, dass der Vatikan in diplomatischer Hinsicht auch nur mit Wasser kochte. Wie jeder anderen Regierung ging es ihm vor allem um den Erhalt der eigenen Macht. Da konnte eine mutige Verteidigung der Wahrheit nur unliebsame Reaktionen vonseiten anderer Mächtiger provozieren. Die oberste Tugend des Kardinals schien seine Vorsicht zu sein. Immer wieder hatte er dieses Wort gebraucht.
    David fühlte etwas Hartes in seinen Fingern. Erst jetzt bemerkte er, dass seine Hand wie von selbst zu dem Ring gewandert war, den er stets an einer Goldkette um den Hals trug. Er öffnete die Augen und blickte an sich herab, zu der Stelle hin, wo sich der Ring unter dem Hemd verbarg. Nein, es war wohl doch kein Zwilling dieses Schmuckstückes gewesen, den er da am Finger des geheimnisvollen Fremden hatte funkeln sehen. David ließ die Hand wieder sinken. Als er seine Aufmerksamkeit dem Treiben auf dem Petersplatz zuwandte, bemerkte er ganz in der Nähe eine dunkle Gestalt. Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit überkam ihn ein furchtbarer Schrecken.
    Es war der Mönch aus Mailand.

 
    Statuen und andere Heilige
     
     
     
    Obwohl sich das harte ausdruckslose Gesicht sogleich hinter eine Säule zurückgezogen hatte, gab es keinen Zweifel: Jenes Antlitz gehörte demselben Jesuiten, der Rebekka und ihm vor einem Vierteljahr nachspioniert hatte. Die breite Narbe über der linken Augenbraue ließ keine andere Deutung zu. Wie damals war die dunkle Kutte auch jetzt sofort wieder verschwunden. Sollte David den Mönch – oder was auch immer dieser Beobachter wirklich war – verfolgen, ihn zur Rede stellen?
    Sekundenlang wog er seine Chancen ab, den Spion überhaupt noch zu fassen. Ein Wettrennen über den Petersplatz, womöglich sogar eine handfeste Rauferei – nein, das konnte er wirklich nicht gebrauchen. Außerdem war der Mann womöglich bewaffnet. Auf der Piazza wimmelte es nur so von Menschen. Unschuldige könnten verletzt werden.
    David entschied sich gegen eine Verfolgung des Mönchs und lief stattdessen genau auf das Portal der Peterskirche zu. Er nutzte die Statue des heiligen Paulus als Deckung, um sich noch einmal umzusehen. Unter den zahlreichen Touristen, die erwartungsvoll zum Papstpalast emporschauten, befanden sich auch Priester, Mönche und Nonnen. Aber der Jesuit war wie vom Erdboden verschluckt.
    Gerade näherte sich eine Besuchergruppe der Treppe, die zum Dom hinaufführte. Eine vollschlanke Frau in schwarzem Kleid führte die bunte Schar an. Sie verweilte eine Zeit lang vor dem steinernen Paulus und beschrieb mit durchdringender Stimme die Vorzüge des Standbildes, als stünde dieses zum Verkauf. Nachdem sie auch den heiligen Petrus auf der anderen Seite der Treppe angepriesen hatte, setzte sich der Tross wieder in Bewegung. David reihte sich unauffällig ein.
    Kurz bevor die lautstarke Führerin die Kirche betrat, blieb sie unvermittelt stehen, wirbelte herum und deutete auf den großen Obelisken, der im Zentrum des ovalen Petersplatzes wie der Zeiger einer gigantischen Sonnenuhr anmutete. David hielt den Atem an. Hier oben, gleich neben dem Mittelportal der Kirche, kam er sich wie auf einem Präsentierteller vor. Langsam arbeitete er sich weiter ins Zentrum der Gruppe vor. Das Ausbreiten des enzyklopädischen Wissens der Führerin über Kaiser Caligulas monumentales Mitbringsel aus Ägypten beanspruchte einige nervenaufreibende Minuten. Als sie endlich herumschwenkte und zu Davids Erleichterung den Petersdorn in Angriff nahm, kam er sich selbst wie versteinert vor.
    Im Inneren des Doms bedeckte die belesene Signora ihr Haupt mit einem nachtfarbenen Spitzentuch und dirigierte die Schar ihrer Jünger den nächsten Attraktionen entgegen. Für eine Weile nutzte David noch die Deckung der Reisegruppe, dann ließ er sich unauffällig zurückfallen.
    Was sollte er jetzt tun? Einfach wieder hinausgehen, damit sich der Mönch erneut an seine Fersen heften konnte?
    Nach außen vermittelte David ein Bild stiller Ergriffenheit, doch seine Gedanken arbeiteten fieberhaft an einem Fluchtplan. Rebekka wartete auf ihn, und

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