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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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und erhob sich jetzt, um David zu empfangen.
    »Kommen Sie, nehmen Sie Platz, Herr Schwertfeger. Ich habe Sie dem Hausherrn bereits angekündigt. Er wird jeden Moment hier sein, um Sie zu begrüßen.«
    David ließ sich genau gegenüber von Barrios einen Stuhl unter den Hintern schieben, lehnte dankend den ihm angebotenen Rotwein ab und bat um ein Glas Wasser. Auch hier kümmerten sich die Lakaien hingebungsvoll und mit einer schon ans Unheimliche grenzenden Geräuschlosigkeit um die Herrschaften. Sie erhielten ihre Anweisungen ausschließlich per Handzeichen. Wenn die Diener nichts zu tun hatten, standen sie mit ernstem Gesicht an der Wand, wachsam auf jede Weisung achtend.
    Einige Minuten lang plauderten die beiden Männer über Belanglosigkeiten. Einen Palast wie den des Großen Jaguars mit allem zu versorgen, was das Leben bequem und angenehm mache, müsse doch mit erheblichem Aufwand verbunden sein, merkte David an. In vielerlei Hinsicht sei man autark, erklärte Barrios nicht ohne Stolz. Das Übrige werde durch die Luft herbeigeschafft, einige Frischwaren auch über Dschungelpfade.
    Der Gast tat, was man von ihm erwartete. Er zeigte sich beeindruckt.
    Mit einem Mal stellten sich Davids Nackenhaare auf. Eben hatte jemand den Raum betreten, lautlos zwar, aber seine Präsenz war für ihn sofort spürbar gewesen. Er musste sich zwingen, nicht den Kopf herumzudrehen, sondern dem Hausherrn die Freude der Überraschung zu lassen.
    »Da ist ja unser Gast«, sagte jemand hinter David, als habe er ihn schon im ganzen Palast gesucht und jetzt endlich gefunden.
    Pflichtschuldig drehte sich der Angesprochene um und erhob sich von seinem Platz, um dem Gastgeber die Reverenz zu erweisen.
    Das Gesicht war unverkennbar. Dieselbe lange Nase wie auf dem Kupferstich. Auch der Schnurrbart war noch da. Kein anderer als Justo Rufino Barrios, der angeblich 1885 verstorbene Präsident Guatemalas, kam da auf David zu. Für einen im Krieg Gefallenen machte der korpulente Mann in dem dunklen Anzug allerdings einen sehr vitalen Eindruck. Seit damals war er nur wenig gealtert, sah aus wie höchstens sechzig. David wusste es jedoch besser: Justo Rufino Barrios war beinahe einhundertzwanzig Jahre alt.
    Der Ex-Präsident streckte dem Gast eine kräftige Rechte entgegen. David musste sich zwingen, nicht auf den schweren goldenen Fingerreif seines Gegenübers zu starren. Barrios sah offenbar nicht den geringsten Anlass, den Siegelring des Geheimzirkels zu verbergen. Vielleicht gehörte das zu seiner Taktik, begann doch jetzt die Phase des gegenseitigen Abtastens: War der andere Freund oder Feind?
    »Seien Sie willkommen, Herr Schwertfeger.« Die Begrüßung klang eher geschäftsmäßig als herzlich.
    David verbeugte sich. Das unterwürfige Verhalten An Chung-guns hatte ihm gezeigt, welchen Respekt ein Mitglied des Kreises von einem Mitstreiter niederen Ranges erwarten durfte. »Vielen Dank, Don Justo. Euch gebührt der größere Dank, nicht nur, weil Ihr mich so schnell empfangen, sondern mir auch Euren Urenkel an die Seite gestellt habt. Ich weiß diese Ehre zu schätzen.«
    Ein schwaches Lächeln erhellte Großvater Barrios’ Miene. Der Auftakt gefiel ihm offensichtlich. Wie gut, das musste sich noch zeigen.
    »Dessen ungeachtet würde ich es schätzen, wenn mein wahrer Name kein zweites Mal über Ihre Lippen kommt.«
    David stockte. Was nun? Er senkte ergeben sein Haupt und arbeitete fieberhaft an einem Rettungsplan. Wie sollte er Barrios den Älteren ansprechen? Eine falsche Äußerung und die Situation konnte eskalieren. Wenn er sich schon jetzt in ein wildes Gefecht mit dem Hausherrn, dessen Urenkel und der Palastwache einließ, konnte er jede Hoffnung auf eine Demaskierung der verbliebenen Logenbrüder begraben. David spürte, wie der bohrende Blick des Alten auf ihm lag. Was sollte er nur tun? Vielleicht…
    »Entschuldigt bitte«, sagte David demutsvoll. »Der Kreis und ich sind schon seit mehr als vierzig Jahren miteinander verbunden, da fällt es mir manchmal schwer, von alten Gewohnheiten abzulassen. Wenn Ihr darauf besteht, werde ich Euch gerne Mendez nennen.«
    David hielt den Atem an. Der Name war ein Schuss ins Blaue, Er gehörte Barrios’ Partner im Bananengeschäft. Und wem mochte dieser Logenbruder wohl trauen außer sich selbst? David lauschte tief in sich hinein. Wahrheitsfindung wie auch Sekundenprophetie mussten ihm Argwohn oder Gefahr anzeigen. Die Gaben der Verzögerung sowie der Farbgebung konnte er notfalls zur

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