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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Menschen dort?«
    Der Indio warf sich in die Brust und machte das Gesicht einer angriffslustigen Raubkatze.
    »Also gut, ich stelle meine Frage anders: Lauern Gefahren in dem Dorf oder der Stadt?«
    Tabasco bejahte durch entschiedenes Nicken.
    »Auch für mich?«
    Wieder das Kopfdrehen und Schulterschieben.
    »Dann habe ich eine Bitte an dich. Bring mich zu dieser Siedlung. Ich werde mich dort ein wenig umsehen. Wenn ich eine Möglichkeit finde, Guatemala zu verlassen, dann gut. Falls nicht, sehen wir weiter.«
    Tabascos scharfe Augen musterten David eindringlich. Schließlich nickte er.
     
     
    Der Marsch durch den Regenwald gehörte zu den schweißtreibendsten Übungen in Davids ganzem bisherigen Leben. Woran vielleicht gar nicht einmal so sehr das schwülheiße Klima schuld war als vielmehr Tabascos scharfes Tempo. Entgegen Davids Erwartungen erreichten die beiden noch vor Sonnenuntergang die Stadt. Ein Ortsschild war nirgends zu entdecken, aber aus dem Schriftzug über der Tür einer cantina ließ sich schließen, dass er in El Encanto gelandet sein musste.
    »Sieht aus wie das Ende der Welt«, brummte David.
    Tabasco rümpfte die Nase. Die Trostlosigkeit des staubigen Städtchens schien ihm genauso wenig zu behagen.
    »Sind dir auch die vielen Soldaten aufgefallen?«
    Der Kleine nickte.
    »Ich werde mich in der Bar mal umhören. Vielleicht kann ich herausfinden, was hier los ist.«
    Tabasco widersprach mit Händen und Füßen.
    David legte ihm die Hand auf die Schulter, was den Indio augenblicklich beruhigte. »Ich danke dir für deine Sorge, mein tapferer Freund, aber ich kann mich nicht ewig in diesem Dschungel verstecken. Es gibt da noch ein, zwei Sachen, die ich dringend erledigen muss.«
    Tabasco gab seufzend nach.
    Als David die quietschende Tür der Cantina El Encanto aufstieß, blickten ihn einundvierzig Augen an. Einen rothaarigen Riesen hatte man hier vermutlich zuletzt vor vierhundertdreißig Jahren gesehen, als Pedro de Alvarado das Land für die spanische Krone in Besitz genommen hatte. David gab sich unbekümmert. Ruhig schritt er zum Tresen, hinter dem ein rundlicher, schwitzender Barkeeper mit Augenbinde stand. »Tequila«, verlangte er, drehte sich aufreizend langsam um und stützte die Ellenbogen auf den Schanktisch.
    Bei seinem Eintreten hatten noch zahlreiche Stimmen den verrauchten Raum erfüllt, doch nun war es mucksmäuschenstill geworden. David überschlug die Zahl der Uniformierten im Raum. Es waren mindestens zehn. Vielleicht befanden sich ja auch einige seiner Lebensretter darunter. Er lächelte.
    »Heißer Tag heute. Irgendjemand hier, der meine Sprache spricht?«
    Niemand antwortete.
    »Bin Forscher. Die großen Räuber sind meine Leidenschaft! Schreibe für dieses angesehene amerikanische Magazin – Sie wissen schon.«
    »National Geographic«, sagte plötzlich eine Stimme mit hartem Akzent hinter ihm. Es war der einäugige Wirt.
    David drehte den Bewaffneten wieder den Rücken zu und konzentrierte sich nun ganz auf den Barkeeper. »Ah, endlich ein gebildeter Mann!«
    Der Wirt sah ziemlich wild aus. Abgesehen von der Augenklappe, mit der er nicht von ungefähr einem Piraten glich, bestach er durch einen schwarzen Stoppelbart, stachlig wie ein Kaktus, und einen beißenden Geruch nach ranziger Butter.
    »Ich sehe Sie hier zum ersten Mal!«, meinte der Barmann in drohendem Ton.
    David kippte den Branntwein hinunter und grinste wie ein Honigkuchenpferd. »Ich bin direkt von Guatemala City in den Dschungel geschneit und habe bei Tikal mein Lager aufgeschlagen. In der Nacht gab’s dort eine Riesenschießerei. Dachte schon, der dritte Weltkrieg wäre ausgebrochen. Haben Sie ‘ne Ahnung, was da los war?«
    »Sie sollten lieber sehen, dass Sie hier wegkommen.«
    David schob dem Wirt eine Fünfzigdollarnote über den Tisch und bestellte einen zweiten Tequila. Der Einäugige rief ein, wie es schien, aus ungefähr fünfhundert Buchstaben bestehendes Wort in den Raum – und wundersamerweise setzte gleich wieder das Gemurmel, Gelache und Gestreite ein. Nur ein, zwei Soldaten beäugten den Fremden noch misstrauisch.
    Der Wirt lehnte sich auf dem Tresen lässig zu seinem Gast hinüber und hüllte ihn großzügig in eine Schweißwolke ein. »Wenn Sie Amerikaner sind, müssten Sie eigentlich wissen, dass Ihre Regierung seit drei Tagen den Schifffahrtsverkehr nach Guatemala zu unterbinden versucht.«
    »Und? Muss ich deshalb befürchten gelyncht zu werden?«
    »Das weniger. Aber es heißt

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