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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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übernimmt: Ich hatte immer das Gefühl, ihm im Weg zu sein, aber rausgeworfen hat er mich auch wieder nicht.«
    »Vielleicht wusste er, dass du für mich arbeitest, und wollte dich im Auge behalten.«
    »Dafür konnte ich nie eine Bestätigung finden. Aber auch ich habe mich Tag für Tag mehr von ihm entfernt und, was wohl entscheidender ist, von dem, was er repräsentierte. Das Tüpfelchen auf dem i war ein Schreiben von Vertretern verschiedener jüdischer Organisationen im Jahr 1942. Das Dokument schilderte in allen Einzelheiten das grausame Schicksal von neunzigtausend Juden. Der Papst wusste über alles Bescheid, David: die Vernichtungslager, die Vergasungen… Nach Kriegsende hat der Vatikan übrigens Historikern einen Teil seiner Archive geöffnet, um sich aufklärungswillig zu geben. Das besagte Schreiben ließ Pacelli allerdings verschwinden. Nach dieser Affäre bin ich aus der Kirche ausgetreten.«
    »Das kann ich gut nachvollziehen. Ich hätte nur zu gerne gewusst, wer wirklich die Fäden im Vatikan zieht: der Papst, Papen oder… «
    »Lord Belial?« Lorenzo machte eine vage Geste mit der Hand. »Eigentlich müsstest du fragen, wer die Welt regiert. Gibt es nicht überall Anzeichen dafür, dass die Mächte des Bösen sich zu den wirklichen Herrschern über die Menschen aufgeschwungen haben? Ich habe der Kirche auch deshalb Lebewohl gesagt, weil sie aus dem Fürsten der Finsternis eine Witzfigur gemacht hat. In Wirklichkeit liegen die Dinge doch genau umgekehrt. Dieser Fürst spielt mit den Menschen und nur Gott kann ihn davon abhalten, die Erde und alles darauf zu vernichten.«
    »Du sprichst wie ein religiöser Eiferer.«
    Lorenzo lächelte wieder. »Komisch, dass ausgerechnet du das sagst. Übrigens, genau so nennen mich auch meine Gegner: ›den Eiferer‹.«
    »Und wie bist du zum ›Heiligen‹ geworden?«
    »Nun, ich habe das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet. Die Irrtümer der Kirche konnten meinen Glauben an die Kraft des Wortes Gottes nicht ersticken. Ganz im Gegenteil, er wurde dadurch eher noch stärker. Mit der Bibel konnte ich schon so manchen kirchlichen Würdenträger in Verlegenheit bringen. Natürlich habe ich mir dadurch Feinde gemacht. Aber es gibt auch Kleriker, die mir gewogen sind, nicht wenige übrigens. Den Mitgliedern der zweiten Partei habe ich diesen Spitznamen zu verdanken.«
    »Hast du etwas dagegen, wenn ich dich nicht Santo Lorenzo nenne, sondern bei der gewohnten Anrede bleibe?«
    »Absolut nicht.«
    »Dann sind wir uns ja wenigstens in diesem Punkt einig. Dein Vortrag über das große Marionettentheater namens Welt hat mich zwar nachdenklich gestimmt, aber durch meine christliche Erziehung weiß ich, dass vor dem Tag des Jüngsten Gerichts wohl mit keiner Entscheidung zwischen den Mächten des Bösen und des Guten zu rechnen ist.« David musste an die Prophezeiung der alten japanischen Hebamme denken und fügte hinzu: »Wäre es anders, was könnten dann Menschen gegen so gewaltige Mächte ausrichten? Nein, ich glaube, nur der Heiland kann dem Widersacher Gottes die Stirn bieten. Aber bis dahin wird sich die Welt noch lange um ihre eigene Achse drehen.«
    Lorenzos dunkle Augen funkelten im Kerzenlicht. »Du sprichst nicht von irgendeinem kleinen und hilflosen Menschen, sondern von dir selbst – habe ich Recht?«
    David zuckte unbehaglich mit den Schultern. Der einstige Mönch hatte seine schon fast ans Telepathische grenzende Einfühlungsgabe in all den Jahren nicht eingebüßt.
    »In einem Punkt hast du Recht«, räumte Lorenzo ein. »Kein Mann, keine Frau – egal wie rein sie auch sind oder wie groß ihre Fähigkeiten sein mögen – ist diesen teuflischen Gewalten gewachsen. Aber warum hat Gott dann immer wieder Menschen berufen, um gegen die Mächte der Finsternis anzutreten? Warum hat er seinen Sohn selbst zum Menschen gemacht, wenn es doch – zumindest theoretisch – die Möglichkeit gab, dass er an seinem Auftrag scheiterte? Offenbar deshalb, weil es dem Höchsten beliebt, seine Stärke durch die Schwachheit jener zu beweisen, derer er sich bedient. Auf diese Weise bereitet er seinem Widersacher in Wirklichkeit eine viel größere Niederlage, als wenn er ihn selbst in den Staub träte.«
    »Ich bin nicht Jesus«, knirschte David.
    Lorenzo antwortete milde. »Josua, der die Sonne am Himmel stillstehen ließ, war es ebenso wenig. Beantworte mir eine Frage: Bist du gekommen, um den Lauf der Welt wieder in die seit Urzeiten vorherbestimmten Bahnen zu

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