Der Kreuzfahrer
reiches Herz
Dass dies Empfinden richtig sei …«
Dazu spielte ich eine unkomplizierte, aber hübsche Weise auf der Vielle. Die Musik übertönte niemals den Text, sondern unterstrich ihn, und die Melodie umrankte die poetischen Verse.
Richard war hingerissen. Das Lied gefiel ihm so gut, dass er daran teilhaben, es besitzen, ja für sich beanspruchen wollte. Eine zweite Vielle wurde geholt – ich glaube, sie gehörte diesem alten Unruhestifter Bertran de Born –, und während ein Diener sie stimmte, ging Richard in der Halle auf und ab und murmelte mit finsterer Miene vor sich hin. Dann wirbelte er plötzlich zu mir herum, lächelte mich selig an und sagte: »Jetzt habe ich es, Blondel. Vers auf Vers, ja? Immer abwechselnd?«
Ich glaube, er war so in seine Dichtung vertieft, dass er meinen Namen vergessen hatte und mir deshalb einen Spitznamen gab, der sich auf mein blondes Haar bezog – aber ich würde mich gewiss nicht beschweren. Ich sollte mir einen kleinen Dichterwettstreit mit meinem König liefern. Gab es überhaupt eine größere Ehre für einen jungen Trouvère?
Richard hieß mich von vorn beginnen, also sang ich die erste Strophe noch einmal:
»Meine Freude gebietet mir
Zu singen zur holden Weihnachtszeit
Es antwortet mein reiches Herz
Dass dies Empfinden richtig sei …«
Als der Vers und die begleitenden Akkorde abgeschlossen waren, übernahm der König. Er bewegte den Bogen ein wenig steif auf der Vielle, wiederholte den Refrain und sang dann seinen subtil abgewandelten Vers:
»Es gebietet mir mein Herz
Meine holde Herrin zu lieben
Und meine eigene Freude dabei
Ist selbst mir reicher Lohn …«
Sehr geistreich hatte er meine eigenen Worte – Freude, hold, reich und Herz – aufgegriffen und anders angeordnet, um etwas ganz Ähnliches noch konkreter auszudrücken. Ich muss gestehen, dass die dichterische Begabung meines Königs mich beinahe erschreckte. Ich hatte einen ganzen Tag gebraucht, um dieses Lied zu verfassen, doch Richard war die Erwiderung offenbar schneller eingefallen, als man ein Paar Stiefel anziehen kann. Aber ich fasste mich rasch, und als er fertig war, beantwortete ich seinen Vers mit einer weiteren Variation auf meinen eigenen Text, die eine überraschende Wendung nahm. Was ich da tat, war frech, beinahe unverschämt, und das wusste ich sehr wohl, doch ich sang:
»Nur eine Pflicht eines jeden Herrn
Ist holder als die Liebe selbst
Nämlich den Ritter reich zu entlohnen
Der ihm ein treuer Diener ist …«
Ich wollte mich nicht selbst bereichern, wahrhaftig nicht, aber ich wünschte mir so sehr, dass der König Robin das versprochene Geld endlich bezahlte. Ich benutzte also ein gebräuchliches Bild der Trouvère-Dichtung – die Pflicht eines guten Fürsten, sich großzügig zu zeigen –, um eine subtile Botschaft auszudrücken, die meinem Herrn Robin nützen und ihm aus seinen finanziellen Schwierigkeiten helfen könnte.
König Richard war nicht im Geringsten betroffen über meinen Vers. Er improvisierte ein paar Takte zu meinem Thema auf der Vielle und konterte dann:
»Ein Ritter, welcher seinem Herrn
So lieblich singt von Pflichten
Ist gewiss so tugendreich, sich
Zu bemühn um höfische Manieren.«
Mit einem schwungvollen Bogenstreich spielte Richard die letzten Töne und ließ dann die Vielle sinken. Der Applaus war ohrenbetäubend. Das war eine geniale Erwiderung auf meinen Vers gewesen, und Richard war zu Recht sehr zufrieden mit sich. Über die halb geleerten Platten und Schüsseln hinweg grinste er mich an. Dann wandte er sich nach links und vertrieb einen ältlichen englischen Ritter von dessen Platz, damit ich mich neben ihn setzen konnte. Als ich in einem mächtigen Eichenstuhl an der Seite meines Königs versunken war, schenkte er mir eigenhändig Wein in einen mit Juwelen besetzten Pokal ein und reichte ihn mir. Während ich trank, sagte er: »Bravo, junger Blondel, eines Tages werden wir wieder gemeinsam musizieren, du und ich – vielleicht singen wir ein so liebliches Duett, dass wir die Sarazenen damit zähmen, oder gar Saladin selbst?« Er grinste mich mit blitzenden blauen Augen an, und seine weißen Zähne schimmerten im Kerzenschein.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also nickte ich nur und murmelte: »Ja, Hoheit, wie Ihr wünscht.« Dann lehnte ich mich auf dem prachtvollen Stuhl zurück und sonnte mich in seiner Gunst.
Da beugte er sich dicht zu mir herüber und flüsterte mir
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