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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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Niemand? Auch sie würde die Wahrheit niemals offen eingestehen. Aber konnte Robin mit einem Kuckuckskind leben?
    Während ich über diese grässlichen Fragen nachsann, wurde die Gesellschaft in der Taverne immer heiterer und lauter. Ambroise und Bernard überboten einander in Couplets, schmutzigen kleinen Reimen, ließen sich becherweise unverdünnten Wein schmecken und amüsierten sich prächtig. Einer der anderen Trouvères tanzte bereits mit einer sizilianischen Kellnerin. Ich überließ sie ihrem Treiben, schlüpfte hinaus und machte mich auf den Weg zu meinem Herrn.
    Ich fand Robin in seinem Gemach im Kloster, den Brief von Marie-Anne in Händen. Seine Miene war eine kalte, ausdruckslose Maske, und als ich den Raum unter dem Vorwand betrat, ihm das Abendessen zu bringen, richtete er einen so leeren, stählernen Blick voll eisiger Wut auf mich, dass ich beinahe den Mut verlor und mich zurückzog.
    »Euer Abendmahl, Herr«, sagte ich leise. Er gab mir mit einem stummen Wink zu verstehen, dass ich es auf den Tisch stellen solle. Ich riss mit den Fingern ein Stück Brathuhn ab und brachte es zu Keelie hinüber, die von ihrem Binsenkorb in der Ecke jede meiner Bewegungen aufmerksam verfolgt hatte.
    »Gute Neuigkeiten aus England, Herr?«, fragte ich, weil mir nichts Besseres einfallen wollte. Ich hockte mit dem Rücken zu Robin vor dem einäugigen Hund, der mir das Bratfett von der Hand leckte.
    »Nein«, antwortete Robin. Diese eine tonlose Silbe klang wie ein neuer Grabstein, der dumpf auf das Gras eines Friedhofs plumpst. Ich drehte mich nach dem Earl of Locksley um. Der Brief lag neben seinem Tablett auf dem Tisch, doch er starrte zu Boden, als befinde er sich in einer Art Trance. Zehn Herzschläge lang rührten wir uns nicht: Ich starrte ihn an, er starrte den Boden an. Dann hob er den Blick, sah mich an und sagte: »Anscheinend sorgt dein Freund, Prinz John, für Ungemach. Wie ich höre, will er König werden.« Er rang sich ein Lächeln ab, doch es drang nicht bis zu seinen grauen Augen vor.
    Ich wollte etwas sagen, ihn trösten, ihm versichern, es sei nicht seine Schuld, dass Murdac ihn ruiniert habe, und ebenso wenig Marie-Annes Schuld. Doch die Kluft zwischen Lehnsherr und Vasall war zu groß.
    »Würdest du mich bitte allein lassen, Alan?«, sprach Robin. Er klang unerträglich erschöpft. »Und sag den Männern, dass wir in etwa einer Woche nach Outremer in See stechen werden. Sie sollen alles vorbereiten. Und richte Little John aus … ach, schon gut. Ich sage es ihm morgen selbst. Gute Nacht.«
    Im Gehen sah ich, wie er wieder nach dem Brief griff und die dicken Pergamentblätter mit leerem Blick anstarrte. Und seine Hand zitterte leicht.
     
    Zehn Tage später verließen wir Messina – alle siebzehntausendfünfhundert Soldaten und Seeleute von Richards Armee, in zweihundert Schiffe gepfercht. Mategriffon war sorgfältig, Stück für Stück, wieder zerlegt und auf eine der großen Büsen verladen worden. Die mächtigen Schlachtrösser der Ritter hatte man in zwei starke Bauchriemen geschnallt, mit großen Kränen angehoben und über das Wasser zum Schiff hinübergeschwenkt. Auch sie fanden Platz auf den größeren Frachtschiffen. Berengaria von Navarra, begleitet von Richards Schwester Joanna, war in einer luxuriösen, aber seetüchtigen Kogge untergebracht, mit allem Komfort, den ein mächtiger König bieten konnte. Mit diesen edlen Damen reiste auch ein arabisches Sklavenmädchen, das nun Prinzessin Berengaria als Zofe diente und in meinen Augen eine so vollkommene Schönheit war wie sonst keine Frau auf Erden.
    Ich hatte Nurs neue Anstellung arrangiert, unterstützt von Robin und einem Beutel Silber für Berengarias Kämmerer, und ich hatte sie noch nie so glücklich gesehen. »Alan«, sagte sie in ihrem stockenden Französisch, als sie mich auf dem Dock zum Abschied küsste, »du bist ein wundervoller Mann, mein Retter, mein
preux chevalier.
Ich will dich dafür belohnen, dass du so gut und großzügig bist – wir werden das bald wieder tun, was dir so sehr gefällt, du weißt schon, mit den Ledergürteln und dem Honig …«
    Ich brachte sie hastig zum Schweigen und blickte mich um in der Hoffnung, dass niemand sie gehört haben konnte. Zwei Schritt hinter mir stand Little John, der die Einschiffung unserer Kavallerie organisierte. Er machte nicht den Eindruck, als ob er ein einziges Wort davon verstanden hätte, und ich atmete erleichtert auf – zu früh, versteht sich. Sobald Nur sich von

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